Lara brauchte auch andere Männer. Sie spielten keine Rolle. Sie hatten keine Bedeutung. Sie waren Platzhalter wie die Null in der Mathematik, denn für sie zählte nur Paul, und je mehr Bettgeschichten sie hatte, um so größer wurde sein Wert für sie. Sie ging ihnen nach, wenn sie, die Kulturanthropologin, ihre langen Studienreisen unternahm, und verriet ihm, einem renommierten Architekten, nichts von ihren Eskapaden. Mehr noch. Sie hätte alles selbst dann abgestritten, wenn er mutig genug gewesen wäre, sie zu fragen.
Aber er ließ es bleiben, um sie nicht verlassen zu müssen. Er wusste, was er von ihr zu erwarten hatte und er ahnte immer, wenn sie ihn betrog. Er nahm diese Seitensprünge hin, um seine Liebe nicht aufzugeben, während sie die Kerle für eine Nacht nicht aufgab, um ihre Liebe leichter hinnehmen zu können. Im Grunde war er für sie der Einzige. Die anderen waren der Ausgleich für ihn; ein Freiraum, wenn es ihr mit ihm zu innig wurde. Sie fürchtete, ihm sonst allzu sehr zu verfallen. Ganz allein mit ihm zu bleiben, wäre wie ein zweisamer Trapezakt ohne Netz gewesen.
Er leide wie ein Hund, sagte Paul zu Rita. Er verstehe nicht, weshalb er Lara nicht genüge. Er vernachlässige sie nicht. Sie werfe ihm nie vor, irgend etwas falsch zu machen. Im Gegenteil. Sie sagte ihm, er sei ein guter Liebhaber, ein wahrer Freund, ein aufmerksamer Partner und der Mann ihrer Träume. Aber, so Paul zu Rita, wenn sie wach sei, sehne sie sich auch nach anderen.
Rita lachte ihn aus. Er wisse doch gar nicht, ob sein Verdacht stimme. Sie hätte nie vermutet, wie eifersüchtig er sein könne. Wo denn sein Selbstvertrauen geblieben sei? Er sei ein Tausendsassa auf seinem Gebiet. Wie könne er sich von einer Frau wie Lara verunsichern lassen?
Er merke es an ihrer Stimme, sagte Paul, mehr noch an ihrem Schweigen, wenn ihr Blick in der Ferne verklinge, aber ebenso an der Art, wie sie zuweilen – nur zu bestimmten Momenten – an ihrer Haarlocke kaue. Er liege nachts wach und denke an Lara.
Drei Wochen später – Lara war wieder auf einer ihrer Expeditionen – kam Rita zu ihm. Sie habe sich umgehört. Er sei im Recht. Lara treibe es mit anderen, wenn sie unterwegs oder er fort sei. Der Freundeskreis wisse nicht Bescheid, doch in manchen Lokalen sei Lara für ihre Ausschweifungen bereits bekannt. Rita umarmte ihn und er flüchtete zu ihr.
Als er Schluss machte, nannte Lara ihn einen Betrüger, worauf er entgegnete, sie habe am allerwenigsten ein Recht dazu, so einen Vorwurf zu erheben. Er wisse von ihren Abenteuern. Dutzende Geliebte. Eine namenlose Zahl.
Rita war ganz anders. Sie schlief mit keinem – und bald auch nicht mehr mit Paul. Sie belagerten einander, ohne sich je erobern zu lassen. Zwölf Monate später war nicht ganz klar, ob er sie oder sie ihn verlassen hatte.
Die Beziehung zu einer Neuen werde auch nicht lange dauern, tröstete Lara ihre neugewonnene Freundin Rita. Paul sei eben nicht treu, sagte Lara. Sie hätte ihn nie verraten. Sie wäre nie von ihm abgerückt, solange er der Einzige unter den namenlos Vielen gewesen war. Aber mittlerweile konnte Paul ihr gestohlen bleiben – und jene anderen Männer auch.