Engmaschig und doch voller Lücken

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Das Flat­tern der Tauben im Lichthof ist laut, hart, erschreckt mich manch­mal, wenn ich am Schreibtisch sitze und arbeite, oder aus der Dusche steige. Dann beuge ich mich aus dem Badez­im­mer­fen­ster und sehe auf Zehen­spitzen ger­ade noch so gut auf den Balkon unter mein­er Woh­nung, um das Nest zu erken­nen, vielle­icht auch Doris, meine Nach­barin, die in der anderen Ecke dieses Balkons sitzt und zeich­net, oder in dem Vogel­buch liest, dazwis­chen das Tauben­pärchen beobachtet.

Zuerst hat sich das Män­nchen durch die Lücke im Tauben­netz gedrückt, dann gerufen und gegur­rt, und schließlich hat er auch ein Weibchen dazu überre­den kön­nen, ihm in den Hof zu fol­gen.
Von dem Schlupfloch weiß ich auch nur von Doris, sie hat mit dem Zeigefin­ger auf einen Ort ober­halb meines Fen­sters gezeigt, als ich sie gefragt habe, wie die Tiere über­haupt in den Hof haben gelan­gen kön­nen.

„Dort“, hat sie gesagt, und wieder mit dem Zeigefin­ger dor­thin gezeigt, wohin ich nicht sehen kann, „dort ist das Tauben­netz nicht richtig befes­tigt, da drück­en sie sich durch. Sie müssen sich richtig zwis­chen Dach und Netz zwän­gen und sich da durch­schieben“, Doris lehnte sich an das Balkon­gelän­der und zurück, als würde auch sie sich durch einen schmalen Gang drück­en, machte ein paar Schritte zur Seite, „dann tief hin­un­ter­beu­gen“, sie beugte sich auch, nach unten und nach vor, machte einen Schritt und streck­te sich wieder, „das Loch ist ger­ade groß genug, dass eine Taube durch­passt.“

Und seit­dem sind sie hier, und gur­ren und flat­tern, der Flaum gerät immer wieder in die Woh­nun­gen, immer wieder auch eine der Tauben, weil die Fen­ster Rich­tung Lichthof oft offen sind. Die Tauben find­en aus den Woh­nun­gen aber nicht so leicht wieder her­aus, fliegen aufgeregt von ein­er Ecke des Zim­mers zur anderen, lassen sich nur schw­er mit Staub­wedel oder Besen ver­ja­gen.

Scharf ist dieses Schla­gen und ja, hart, ich will mich nicht daran gewöh­nen. Es hat auch von anderen Haus­parteien schon Beschw­er­den gegeben, Mails an die Hausver­wal­tung. Auch von Doris, obwohl sie dann wieder auf dem Balkon sitzt und in ihrem Vogel­buch liest, mir erzählt, dass dieser Lichthof wohl der feuchte Traum jed­er Taube sei, weil so eng und steil, wie Fel­sklip­pen. Sie rollt die Eier aus dem Nest auf ihrem Balkon, sobald die Eltern fort sind, sobald sich bei­de Vögel durch ihr Schlupfloch hin­aus­ge­drückt haben, draußen in der Stadt Fut­ter suchen, denn Doris weiß, die Eltern erken­nen nichts, was nicht in ihrem Nest liegt, als ihr eigenes Ei an.

Wir ste­hen jet­zt oft und reden, ich auf Zehen­spitzen, so weit aus dem Badez­im­mer­fen­ster gebeugt, wie es eben geht, sie den Kopf in den Nack­en gelegt, wen­det mir dabei ihre Kehle zu.

Und was würde Eri­ka zu all dem sagen, frage ich mich dann? Dazu, dass ich jet­zt auch mit jeman­dem anderen rede außer mit ihr und mein­er Fam­i­lie, dass ich wegen der Tauben Doris beim Vor­na­men kenne, und mich weit aus dem Fen­ster beuge für sie aus­gerech­net in ein­er Zeit, in der ich nicht ein­mal ihre Woh­nung betreten sollte, noch sie meine. Wir dür­fen uns nicht zu nahe kom­men, und der gute Abstand sind zumin­d­est zwei Meter.

Was würde Eri­ka dazu sagen, dass die Vögel es dann doch schaf­fen, ein paar Eier auszubrüten, trotz aller Bemühun­gen von Doris, genau das zu ver­hin­dern? Weil Tauben näm­lich meist mehrere Nester gle­ichzeit­ig bebrüten, und eines davon für Doris unzugänglich ist, in einem Fen­ster­sims?

Eri­ka würde sagen, und sagt, als ich sie schließlich frage: „Platz, der vorhan­den ist, wird ein­genom­men. Daran ist nichts zu ide­al­isieren.“

Nein, das hier ist eben keine Melodie. Das ist keine Har­monie nach vorgegebe­nen Geset­zmäßigkeit­en, anhand der­er ich den näch­sten Ton schon vorher­sagen kann, son­dern ein har­ter Flügelschlag, der mich immer noch jedes Mal auf­schreck­en lässt, und gibt es Leben­sraum, so gibt es eine bes­timmte, sta­tis­tis­che Wahrschein­lichkeit, abhängig vom spez­i­fis­chen Ver­hal­ten ein­er Tier­art und vom indi­vidu­ellen Ver­hal­ten einzel­ner Exem­plare, dass er angeeignet wird.

Eri­ka ist weit fort, weiß ich, schon seit Monat­en, sitzt wieder tief unter dem Eis in der Antark­tis, hört dort den Robben und den Walen zu in ihrer Forschungssta­tion, die jedes Jahr vom Eis weit­er zusam­menge­drückt wird.

Sie ist weit fort, und doch scheint sie mir näher gerückt, oder die anderen in die Ferne, Mama und mein Brud­er, wie Eri­ka sind sie für mich nur Gesichter auf dem Com­put­er­bild­schirm, alles andere würde die sta­tis­tis­che Kurve neg­a­tiv bee­in­flussen, vor der wir uns alle so fürcht­en müssen, und ist damit ver­ant­wor­tungs­los.

Son­st bleibt Doris, die den Kopf für mich in den Nack­en legt.

Die Tage verge­hen, ich beobachte die sta­tis­tis­che Kurve, die sich langsam ver­flacht, und immer­hin diese Kurve ist vorherse­hbar, bes­timmt die Wahrschein­lichkeit von Triage und wie ret­tungswürdig mein indi­vidu­eller Men­schenkör­p­er im Rah­men dieser Triage wird. Ich träume, in ein­er Men­schen­menge zu ste­hen, alle zu dicht an mir, alle wollen sich an mir reiben, alle warten darauf, aus­sortiert zu wer­den. „Wun­der­st du dich noch, dass ich mich wieder über­flüs­sig füh­le?“, schreibe ich Eri­ka.

„Nein“, schreibt sie zurück. „Nicht wirk­lich. Wir sitzen hier isoliert von all dem in unser­er Sar­di­nen­büchse, unberührt. Es stürmt sei Tagen, man kann draußen keinen Schritt machen ohne Hand an der Sicher­heit­sleine, weil man keinen hal­ben Meter weit sieht, nichts hört in dem Sturm. Ein Schritt weg von der Sicher­heit­sleine, und ich wäre fort, ver­schluckt vom Sturm, ich kön­nte genau­so gut kilo­me­ter­weit weg von der Sta­tion sein, es würde keinen Unter­schied mehr machen, ich fände in dem einen oder anderen Fall nicht mehr zurück. Ich kenne das schon, vom let­zten Mal. Trotz­dem. Tut mir leid, hat wenig mit dir zu tun, aber ich ...“

Sie schickt Videos vom antark­tis­chen Sturm, aber es ist kaum etwas darauf zu erken­nen.

Die Jungvögel wer­den flügge. Ich ste­he auf Zehen­spitzen aus dem Fen­ster gelehnt und beobachte sie bei ihren ersten Flü­gen im Hof, sie wer­den bald sicher­er darin.

„Die Eltern ver­suchen ihnen beizubrin­gen, sich durch die Lücke im Netz zu drück­en“, sagt Doris und zeigt wieder auf die Stelle ober­halb meines Fen­sters, die ich immer noch nicht sehen kann. „Sie zeigen es ihnen vor, drück­en sich durch das Loch, rufen nach den Jun­gen, lock­en sie an. Aber bis jet­zt klappt es nicht.“

Doris hat wieder ein Mail an die Hausver­wal­tung geschrieben, weiß ich, hat noch ein­mal darum gebeten, dass das Tauben­netz endlich repari­ert wird. Der Lichthof riecht nach Vogelmist. Der Flaum gelangt in alle Zim­mer, wird dort von jedem Lüftchen aufgestört, wirbelt herum, segelt zu Boden. Manch­mal klebt Tauben­scheiße daran. Jet­zt verir­ren sich außer­dem auch die Jungvögel in die Woh­nun­gen, ich wedle sie mit dem Staub­wedel hin­aus, habe dabei so große Angst, sie zu zer­drück­en. Ich träume davon, dass Tauben über­all auf mir herumkriechen. Ich träume wieder davon, auf die Straße zu gehen und bis zum Hals im Wass­er zu ste­hen. Noch bleibt es bei Träu­men, aber ich weiß, wie leicht das Abrutschen passieren kann. Bis wieder Wass­er meine Wände hinabrin­nt, Wellen an meine Fen­ster schla­gen. Ich sage nichts zu Doris und schreibe alles Eri­ka.

Eri­ka schreibt zurück, dass ich mich erin­nern soll – dass ich in der linken Hand bere­its alles halte, was zu ret­ten ist.

Ich umgreife meine linke Hand dann, die noch immer geschlossen ist, jet­zt nicht ein­mal mehr Hil­fe dabei braucht, immer geschlossen zu bleiben. Die weit­er hält, was gerettet wer­den kann, was gerettet wer­den muss. Ich weine ein biss­chen, aber bess­er, die Trä­nen rin­nen mir das Gesicht hin­unter als das Wass­er die Wände hinab.

Die Jungvögel wach­sen und wollen oder kön­nen nicht ler­nen, dem Hof zu ent­fliehen. Die Eltern wen­den sich von ihnen ab, brin­gen ihnen kein Fut­ter mehr.

Doris deutet mit ihrem Zeigefin­ger hin­auf, „Einige von den Kleinen haben ver­sucht, durch das Netz zu gelan­gen, sind dort hän­gen geblieben, sind veren­det. Die steck­en immer noch im Netz, zumin­d­est die Jungtier­le­ichen kön­nte die Hausver­wal­tung doch ent­fer­nen.“

Die Eltern fan­gen wieder an zu brüten.

Eri­ka schreibt, „Es stürmt noch immer. Ich klam­mere mich an die Sicher­heit­sleine, wenn ich zur Außen­sta­tion gehe, aber ich denke manch­mal – es wäre so leicht, loszu­lassen. Ich müsste nur ein­mal meine Hand öff­nen und ...“

„Ich sollte dir das nicht sagen“, schreibt sie dann. „Es ist nur so eng hier.“

„Wir leben derzeit alle in Sar­di­nen­büch­sen“, schreibe ich zurück. „Nicht mal die Vögel entkom­men unserem Hof.“

Eri­ka zieht sich Schicht­en von Gewand an, bevor sie ins Eis hin­aus­ge­ht, eine nach der anderen. Ich ziehe mir vor dem Gang zum Super­markt die Maske über, weiche auf dem Weg anderen großräu­mig aus, wasche bei der Rück­kehr in die Woh­nung genau zwei Geburt­stagslieder lang die Hände, wasche genau zwei Geburt­stagslieder lang die Maske, hänge sie zum Trock­nen auf. Träume in der Nacht wieder davon, dass Fremde mich anfassen, ich schreie sie an, dass sie mich in Ruhe lassen sollen, aber das inter­essiert die nicht.

Eines Tages liegt der Tauberich tot auf Doris‘ Balkon. Sie sitzt schon dort und zeich­net ihn, als ich mich aus dem Fen­ster strecke, hin­unter blicke.

Der Vogel liegt im Nest, den Kopf schlaff zur Seite auf dem Boden abgelegt.
„Das Weibchen liegt unten“, sagt Doris, als sie mich bemerkt, und zeich­net weit­er.

„Was ist passiert?“, frage ich.

„Die Hausver­wal­tung muss sie vergiftet haben“, sagt Doris, blickt zum Tauberich, aber nicht zu mir, beugt sich dann wieder zum Zeichen­blatt.

Dann haben sie also doch mal was gemacht.

Ich klam­mere mich an das Fen­ster­brett, ver­suche nicht an den Traum mit der Aus­sortierung zu denken. Manch­mal wün­schte ich, ich kön­nte das alles bess­er voneinan­der tren­nen, die Tauben von der Triage vom steigen­den Meer­esspiegel, aber alles ist für mich so fest und unau­flös­lich miteinan­der ver­bun­den. Ein eng­maschiges Netz. Hat es Lück­en?

„Die Sache ist, an das Vergiften hab ich nie gedacht“, sagt Doris jet­zt, mit noch einem prüfend­en Blick auf den Vogel. „Ich habe ver­langt, dass sie das Netz repari­eren, das Nest ver­set­zen, aber sie zu vergiften ist mir nicht mal in den Sinn gekom­men.“

Glaub jet­zt bloß nicht, dass dich das unschuldig macht, würde Eri­ka dazu sagen – oder denke das nur ich an ihrer Stelle?

Eben dass du nicht weit genug gedacht hast, ist deine Schuld.

Doris legt das Zeichen­blatt zurück in ihren Schoß, run­zelt die Stirn.

„Jeden­falls weiß ich jet­zt nicht, was ich mit der Leiche machen soll.“

Wir beschließen, sie gemein­sam zu ver­graben, heim­lich und wider alle Haus­regeln im eigentlichen und tat­säch­lich betret­baren Innen­hof, unter dem Nuss­baum, der dort ste­ht. Des Nachts, als wür­den wir tat­säch­lich ein Mor­dopfer ver­schar­ren, bei­de mit Masken. Doris sagt nichts zu mein­er geschlosse­nen Hand und ich sage nichts dazu, wie müde sie aussieht.

Wir schaufeln mit Löf­feln ein kleines Loch, leg­en den Tauberich hinein, jede von uns entschuldigt sich kurz bei ihm, dann schaufeln wir es wieder zu. Doris tritt nach, seufzt.

„Jet­zt haben wir ein Nuss­baum­grab im Hof.“

Sie lädt mich auf einen Tee zu sich ein, und ich nehme die Ein­ladung an, obwohl ich nicht sich­er bin, ob ich das dürfte. Aber wir haben bei­de, wie wir her­aus­find­en, ohne­hin zu nie­mand anderem näheren Kon­takt. Waren also bei­de schon länger sozial recht isoliert.

Doris‘ Woh­nung ist so klein wie meine, statt Klei­derkästen hat sie Regale, und der Par­kett ist wie bei mir alt und voller Risse und Fugen. An den Wän­den in der Küche und auch son­st hän­gen über­all Zeich­nun­gen, auf vie­len von ihnen Tauben. Die Eltern, die Kinder, die Vogelle­ichen im Tauben­netz. Als ich auf den Balkon trete und zum ersten Mal zu dem Tauben­netz hochblick­en kann, kann ich die kleinen Kör­p­er dort auch immer noch zwis­chen dem Draht hän­gen sehen. Doris drückt mir, als wir bere­its mit Tee­tassen am Küchen­tisch sitzen, eine Mappe mit Blät­tern in die Hand, zeigt mir die ersten Zeich­nun­gen des Tauberichs.

„Schau“, sagt sie, und zeigt auf die Taube auf dem Bild, „Hier habe ich ihn noch unge­nauer geze­ich­net, da habe ich ihn noch nicht so gut gekan­nt. Hier hinge­gen ...“, sie kramt ein anderes Blatt her­vor, run­zelt die Stirn, legt es weg und streckt sich nach hin­ten, pflückt eines vom Küchenkasterl, „Hier habe ich sein Fed­erkleid schon bess­er ver­standen. Siehst du den weißen Fleck da auf sein­er Stirn? An dem war er sehr leicht zu erken­nen.“

Ja, war er.

Auch ich kann zumin­d­est in den späteren Zeich­nun­gen, die ihren Vor­bildern immer mehr ähneln, die einzel­nen Tiere prob­lem­los auseinan­der­hal­ten.

„Ich sollte mit all dem etwas machen“, sagt Doris, die Stirn immer noch gerun­zelt, blät­tert durch die Zeich­nun­gen. „Eine Serie vielle­icht, oder ...“

Sie lässt die Mappe zurück auf den Tisch fall­en, stützt den Kopf auf die Hand­ballen.

„Ich weiß nicht.“

Ich weiß nicht, ob es in Ord­nung ist, sie an der Schul­ter zu berühren. Aber vielle­icht habe ich das nie gewusst, Pan­demie hin oder her. Sie zuckt jeden­falls nicht zurück, als ich meine Hand dor­thin lege.

Eri­ka meldet sich seit Tagen nicht, obwohl ich ihr schon mehrmals geschrieben habe. Ich gehe in mein­er Woh­nung auf und ab, schaue dann in den Kühlschrank, kon­trol­liere, wann ich das näch­ste Mal hin­aus in die Welt muss. Ver­suche zu arbeit­en, lasse es wieder bleiben. Die Woh­nung kommt mir still vor, nur der Straßen­lärm dringt noch durch. Ich lasse das Video vom Schneesturm noch ein­mal abspie­len, der immer noch um Erikas Forschungssta­tion wütet. Ich hätte Eri­ka etwas anderes schreiben sollen, das let­zte Mal. Ich weiß nicht. Was ich ret­ten kann, ist schon von mein­er linken Hand umschlossen.

Alles andere ...

Ich träume von ihr. Ich sehe sie an der Sicher­heit­sleine gehen, der Wind und der Schnee reißen an ihr. Sie ist kaum zu erken­nen, in der dick­en Schutzaus­rüs­tung, nur eine unge­fähre Form.
Ich sehe sie loslassen. Ich sehe sie einen Schritt von der Leine weg­machen. Ich wün­sche mir, sie zu umar­men, und einen Moment später umarme ich sie auch, und zuerst wird Erikas klein­er Kör­p­er ganz still, dann leg­en sich auch ihre Arme um mich.

Ich wache auf, draußen rauscht es vom Regen, aber in der Woh­nung ist es trock­en. Und so still. Es ist schon so lange hier nicht mehr so still gewe­sen.

Auf nack­ten Füßen gehe ich über den ver­zo­ge­nen Par­kett, störe Flaum dabei auf, bis zum Fen­ster zum Lichthof, das ich weit öffne.

Nein, es reg­net doch nicht – ich muss den Lärm der Straßen­bahn oder der Autos für Regen gehal­ten haben. Es ist so leicht, das eine mit dem anderen zu ver­wech­seln – und doch ist es mir schon lange nicht mehr passiert.

Still auch draußen. Dann ein Klap­pern. Ich blicke hin­unter.

Doris sitzt am Balkon und trinkt Kaf­fee. Ihre Tasse sch­abt über die Unter­tasse, als sie sie anhebt.
Als sie mich sieht, winkt sie mir zu.

„Wie geht’s mit dein­er Bilder-Serie weit­er?“, frage ich.

Sie zuckt mit den Schul­tern.

„Ich habe heute Tauben­scheiße unter meinem Schreibtisch gefun­den“, sagt sie stattdessen. „Eines von diesen Mistviech­ern ist wohl bis in mein Arbeit­sz­im­mer getapst und hat mir dort direkt unter meinen Schreibtisch geschissen.“

„Ein Abschieds­gruß“, sage ich.

„Wohl.“

„Wenn du willst“, sage ich. „Vielle­icht kann ich dir mit der Serie helfen.“

Nach­dem ich ihr schon beim Beseit­i­gen der Leiche geholfen habe.

Sie kneift die Augen zusam­men, geblendet vom Mor­gen­licht, antwortet vor­erst nicht.

Am sel­ben Tag erhalte ich eine Nachricht von Eri­ka – der Sturm sei vor­bei, es gehe ihr gut. Es tue ihr leid, sich so lange nicht gemeldet zu haben. Sie habe ein biss­chen einen Absturz gehabt, jet­zt sei sie sich ihrer selb­st aber wieder sicher­er.

Der Flaum find­et sich noch lange in Ritzen und Eck­en.