Ersttragetag

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Es gibt einen Tag im Jahr, an dem plöt­zlich alles ganz anders ist. Die Män­ner haben es eilig wie immer, die Frauen haben nie die Zeit, die sie für etwas brauchen, sie aber schon vorher im Kopf. Die Män­ner stürzen davon, ihr Erfolg erlaubt keinen Auf­schub. Kinder, Hunde, Liebes­be­teuerun­gen, alles ist für die näch­sten paar Stun­den unterge­bracht oder auf dem Weg dor­thin.

Die einen nehmen die eine Rich­tung, die anderen kom­men aus der anderen. Was man vergessen hat, kann einem nachge­bracht wer­den, was man nicht zu Hause gehabt hat und braucht, kann man sich noch schnell besor­gen. Nur Toi­let­ten­fehler sind unverzeih­lich und Kra­gen- und Hemd­knöpfe, die absprin­gen und nicht wieder schnell erset­zt und nicht mit Schals, Krawat­ten und zugeknöpften Sakkos überdeckt wer­den kön­nen. Schon gar nicht durch Fleck­en, die über­all auf­tauchen, wo man sie überse­hen hat.

Zu schnelle Nass­ra­suren kann man mit Blut­stop­pern kor­rigieren, zu schlechte mit Ein­we­grasier­ern, nur falsch und schlecht geschminkt, bekommt man den ganzen Tag nicht wieder in den Griff und aus dem Gesicht. Wie einen aufgeschnappten Geruch, den man über­all mit sich herumträgt und von dem man nicht mehr weiß, ob er von einem selb­st kommt oder von der ver­muteten Ursache oder Geruch­squelle, die schon längst hin­ter einem liegt.

Man sieht vielle­icht nicht so gut aus, wie die, die die Sachen am Lauf­steg tra­gen, aber man fühlt sich so. Sog­ar bess­er, weil die Sachen zu einem passen und man nicht umgekehrt zu ihnen passen muss. Man war vor den Sachen da und man wird nach ihnen weit­er da sein, wenn man sie wieder ablegt, wenn sie einem nicht mehr ste­hen und weil man sich selb­st gehört und nicht ihnen.

Zwis­chen dem Auf­brechen und Ein­tr­e­f­fen liegen die Anfänge und Anläufe, mit täglich neuen Anstren­gun­gen, die nicht danach ausse­hen und nicht danach riechen dür­fen, weit­er zu kom­men, als man bish­er gekom­men ist. Durch die küh­le Luft, das leichte Frösteln, die ver­gan­gene let­zte mitgenommene Wärme und die noch nicht gekommene der fol­gen­den Stun­den.

Die Män­ner kön­nten auch nur vergessen haben, sich die Män­tel oder Jack­en überzuw­er­fen, kein­er Frau kann so etwas passieren. Sie sind in kurzärmeli­gen, ärmel­losen, aus­geschnit­te­nen Blusen und Klei­dern, kurzen und geschlitzten Röck­en zu sehen, ohne Strümpfe und in offe­nen Schuhen. Man wird für viele weit­ere Wochen nicht mehr so vie­len von ihnen mit so wenig an vor der Tür begeg­nen wie an diesem Tag. Den ersten heuri­gen Wind auf den Armen, den Schul­tern und Beinen, die erste heurige Sonne. Woher sie das wis­sen? Sie kön­nen es sich nicht erlauben, dass ihre neuesten Sachen nass wer­den.

Man war und kommt ins und ist im Geschäft, man war und ist und bleibt im Spiel. Manch­mal nur so lang der Weg dauert, manch­mal nur bis zum Auf­bruch, manch­mal auch noch nach dem Ein­tr­e­f­fen. Aus­lassen kann man keinen Ver­such.