Weltlagen 1-10

Gedichte

Von


alm­leben bei regen

stell dich nicht den shut­tle­bussen in den weg
es kom­men keine

komm nicht den kühen in die quere
sie gehen nicht zur seite

mit dem vieh im stall brüll nicht mit
was du kriegst

mit den fis­chen aus dem wass­er
schnapp nicht nach dem regen

in der luft, die trüb wie der bach eine brühe
und es beißend kalt ist heute

und riesel­re­gen­regelmäßig
leise.

 

sich­streck­en

da gibt es die
die sind ver­bis­sen
und die
die alles müssen
und die
gle­ich zum vergessen
und die
die alles möcht­en
aber das erst
gar nicht wis­sen.

Lei­hgedicht aus „Kan­zler­reste. Das Kan­zlerneueste. Kan­z­lergedichte 3. 2018 – 2023“, Edi­tion Aramo, Wien, Erschei­n­ung­ster­min 2. März 2023

 

haus­musik

bei der nach­barin gle­ich ober­halb
spielt es für elise
beim nach­barn gle­ich darunter
spielt es für elise
bei den nach­barskindern links und rechts von nebe­nan
spielt es für elise
ein blüten­weißer schim­mel schwebt her­an
verehrer pressen sich wie flügelleim und verehrerin­nen fressen flügel­beine an
die kinder der für-elise-eltern drück­en sich die fin­ger gram
von vorne an und noch ein­mal von vorne an
für ihr ganzes späteres weit­eres leben
was sie ein­mal haben wer­den
davon dann.

 

macht der som­mer platz

ende august haben brief­beschw­er­er immer zeit
erholt vom fen­ster­flügelschla­gen, ganz egal
was offen bleibt
wenn die ansicht­skarten kom­men
von strahlend blau bis tage­san­bruch­snebe­lig
und es bleibt weit­er heiß
aus den kellern riecht es nicht mehr muf­fig
in den briefkästen herrscht hochbe­trieb
in denen kein­er nach­sieht
von wo die urlaub­s­grüße sind
und ob vielle­icht noch jemand briefe schreibt
und den einen, auf den man wartet
der dort liegt
verge­blich.

 

ein will, ein still, vor müll, gewühl

das will wird still
ziel lässt sich keines find­en
von unten an und weit­er hin­ten
gesucht im wühlge­brüll
vor voll, vor fühl, per fall, für viel
wer will, der kann
wer kann, ist dran
tief drin im müll
vor scham
noch tiefer sinken
zurück zum neube­ginn
vor dem ver­schwinden.

Dem Exportschlager Müll.

 

por­trait­malerei

sehen alle aus
wie comix-fig­uren
fällt keinem auf
mit näht­en wie bei zusam­men­stößen
von alten fis­chgrät­par­ket­ten
unter dem trikot frei her­aus
bis zur brust hin­auf
wölbt sich der bauch
von nichts zurückge­drückt
und zugedeckt
abstand­s­los
zum schritt
die karika­tur­is­ten wan­dern
in die let­zten rück­zugs­ge­bi­ete
zum neube­ginn
mit den dort ein­heimis­chen aus.

 

mir scheint, wer lacht?
kinder­lied 2019

die sonne lacht
der mond ver­schwindet auf ver­dacht
falsch aufge­gan­gen
falsch verblasst
kehrt er wieder:
wer als let­zter lacht

die sonne ver­schwindet auf ver­dacht
sie denkt sich, sie hat
das wichtig­ste ver­passt
alles leuchtet, raucht, blitzt, strahlt
aus­ge­lassen, haus­gemacht

der mond, der lacht
die sonne lacht
zur falschen zeit, am falschen platz
es wird nicht mehr tag
und wird nicht mehr nacht
und im tiefen keller
viel tiefer noch
im kohlen­schacht
die kohlen
aus ihrem aller­tief­sten kohlen­schlaf
sind vom mond- und son­nen­lachen
zutief­st erschrock­en aufgewacht

und in der küche die teller
haben, als gäbe es ein beben
der richter­skalastärke sieben
oder acht
den allerärg­sten krach gemacht.

Lei­hgedicht aus „Zweitver­sio­nen“, unveröf­fentlicht. Nach Gün­ter Grass: Kinder­lied 1960

 

schw­er zer­ris­sener

mit meinem energieüber­schuss
wo gehe ich hin?
zwis­chen hochge­zo­ge­nen augen­brauen
und hin­un­ter­fal­l­en­dem kinn
in meinem energiezusam­men­schluss
von was soll man da machen
bis ganz schön schlimm
mit meinem energiev­er­samm­lungs­beschluss
wie ich mich aufger­afft habe
und dann doch nicht dazugekom­men bin.

 

bringt zum ver­schwinden

wer seinen platz in der welt hat,
der rauch­schwade, der dun­st­glocke, der geruchsspur

was seinen platz in der welt hat
der sprech­blase, der duft­wolke, der schnaps­fahne

was keinen platz in der welt hat,
der anlage, der nach­frage, der toplage

wer keinen platz in der welt hat
der nobel­marke, der tief­garage, der direk­tion­se­tage

wer seinen platz in der welt hat
der land­plage, der saufge­lage, der kom­menden tage.

 

zur erhöhung des erleb­niswertes

ich drehte das wass­er auf
und ließ es fließen
ich drehte den herd auf
und ließ es sieden
ich zog die spülung
und ließ es rauschen
ich drehte zu darauf
alles kam zum erliegen.