Kopf und Kopie

Von

Let­zten Geburt­stag schenk­te man mir
eine Opun­tia con­solea,
um wider mich mit Stacheln
zu sticheln,
ich behielt die Pflanze
wohl über ein Jahr,
in dem – naturgemäß, wie mir schien, –
in der Welt
alles schiefging.
Doch schalt
mich diesen Mor­gen deswe­gen –
aus­gerech­net –
ein Vögelein:
Es ist Mor­gen, wach auf,
geh und schäle den Kak­tus!
Ja, ists denn ein Traum?
Ich schälte den Kak­tus
mit dem Stan­leymess­er,
und fraß ihn auf. Schmeckt
nach Gurke, bin erstaunt.

Gepresste Kokos­fas­er ist am prak­tis­chsten. Ich sag das jet­zt mal so, um zu erk­lären, wie ich per­sön­lich dazu ste­he. Kokos ist in gepresster Form platzs­parend und leicht im Trans­port. Leicht ist nicht gee­icht, aber ihr kön­nt abschätzen, was ich meine. Die Brache ist hell erleuchtet. Entschei­dung von oben. Ich leg hier nur meine Eier. An Erlässen zur Ein­rich­tung bin ich nicht beteiligt.

Haben uns wie jeden Abend auf den aus­rang­ierten Sofas und Bierk­isten unterm zit­tern­den Lichtkegel einge­fun­den. Ein erstes Heulen dringt aus der Schwärze, deren Dichte unsere Ent­fer­nung zur Lautquelle beschreibt. Die alarmierten Ermüde­ten, die wir geben, sind sich sich­er, dass es sich bei dem Sig­nal um das von Kojoten han­delt. Wir ken­nen sie aus zahlre­ichen Videos. Daher wis­sen wir auch, dass das gleißende Licht die Räu­ber nicht lange abschreck­en wird. Sie wer­den übereinkom­men, ihn für einen zweit­en Mond zu hal­ten. Dann wer­den sich die Laute, wenn unsere Herztöne uns richtig berat­en, näh­ern – gegen den abnehmenden Wider­stand der Äng­ste, die wir als Aus­lös­er im elek­trischen Geflim­mer der Kojoten­sy­napsen ver­muten. In der undurch­sichti­gen Nacht reichen sich diese Wesen die Pfoten, um durch das Ein­spe­icheln und Zer­beißen unser­er Kör­p­er ihre Ver­ar­beitung einzuleit­en. Unsere Szene wird von der haari­gen Gesellschaft zur Bande erk­lärt. Endlich wird eins der Tiere das Stromk­a­bel zer­beißen. Spitzen von Draht striegeln durch Fell. Die Kojoten däm­mern in unsere Vorstel­lung here­in oder her­aus. Sie ver­voll­ständi­gen sich ins strahlende Ei der Ober­fläche. Schließlich konkretisieren sich die Schwänze, als schlüpften sie aus dem Jen­seits.

Klar ist die Kokos­fas­er von drüben. Aber sie wird ver­schifft und nicht einge­flo­gen. Mithin reißt sie, wie Offi­cer Oval­head stur behauptet, am Herkun­ft­sort auch keine Löch­er in die Atmo­sphäre, die sich mit Ozon füllen kön­nten. Er lebt in der Welt der Vorstel­lung, weigert sich, irgen­det­was zu real­isieren. Doch stammt die von uns benutzte Fas­er von reifen Frücht­en. Sie kann nicht zu Garn ver­spon­nen wer­den. Die Gewin­nung spinnbar­er Fasern ist ander­er­seits in den let­zten Jahrzehn­ten auf­grund der ätzen­den Atmo­sphäre, die nicht nur den Pflanzen zuset­zt, schwierig gewor­den. Das von der unreifen Nuss gelöste Mesokarp müsste, um ver­ar­beit­bare Fasern zu liefern, Monate lang im natür­lichen Brack­wass­er von Lagunen düm­peln. Wo soll­ten wir heute noch Brack­wass­er hernehmen? Ergo Faser­stückchen in Form von Pel­lets. Streu, der Stoff wird halb­wegs gerecht verteilt. Zumin­d­est sind wir hier, hin­ter Glas, sich­er, und die garantierte Auftrittsmöglichkeit, für die wir einiger­maßen regelmäßig Kost, Logis und Dun­st aus der Sprühvor­rich­tung erhal­ten, ist es wert, das tro­pis­che Ter­roir nicht allzu sehr zu ver­mis­sen.

Das The­ma unseres heuti­gen Abends ist, kurz zusam­menge­fasst, was mit uns geschieht, wenn sich das Pub­likum auf der Bühne ein­find­et, anstatt draußen im Par­kett. Was fol­gt, wenn diese Wilden, über die wir von der Bühne aus gern hin­wegse­hen, hier­her wech­seln, wo wir Schlau­raf­fer uns wie jeden Abend einge­fun­den haben, um die, welche wie Triebe im Dunkeln leben, zu kul­tivieren. Wie stellen wir uns das Jen­seits vor, aus dem sie her­beiströ­men? An den Überwachungss­chir­men der Regie fragt man sich, ob das Tier grund­sät­zlich von jenen vertreten wird, die sich draußen zusam­men­rot­ten. Ob die da draußen vielle­icht erst im Moment unmen­schlich wer­den, in dem sie die rote Lin­ie zur Brache übertreten. Welch­er Prozentsatz ihres Kör­pers muss sich hier ein­find­en, damit im Sinne der Def­i­n­i­tion etwas passiert? Und ist das Tier das Unbekan­nte schlechthin, das den Büh­nen­rand zur Vorstel­lung durch­bricht, oder ist das Ani­malis­che ganz grob alles außer uns, also die Stel­lvertre­tung unser­er Herkun­ft? Weit­er: Wird unsere Vorstel­lung durch die Übertre­tung der Gren­ze durch die Kojoten gelöscht oder – ganz umgekehrt – erst real­isiert? Und, am wichtig­sten: Ist die Bedro­hung, die von den Kojoten aus­ges­trahlt wird, echt, oder han­delt es sich bei ihr nur um eine Pro­jek­tion, die zum Zweck unser­er Bil­dung geschaf­fen wird?

Dreimal heult die Sirene der Bau­ru­ine. Die Leute im Pelz strö­men in den Bere­ich der Voyeure, der Voyeurin­nen. Wir begin­nen unmerk­lich, durch kollek­tives Erschüt­tern die elek­trische Ladung der Atmo­sphäre zu verän­dern. Für viele, die da draußen im Dunkeln tap­pen, sieht es so aus, als wür­den trock­ene Ästchen frieren und durch schnelle Vibra­tio­nen der Muskeln Wärme erzeu­gen. In Wirk­lichkeit infizieren wir jedoch die Luft mit unser­er Bewe­gung, um die Botschaft des Abends zu über­tra­gen. Wir nen­nen den Vor­gang Zweigmimese. „Helft, Ströme, wenn ihr göt­tliche Macht habt! Durch Ver­wand­lung verderbt die Gestalt, mit der ich zu sehr gefiel!“ … Da befällt schwere Taub­heit die Glieder. Weiche Brüste wer­den umschlossen von Rinde, das Haar wird zu Laub, die Arme zu Ästen. Füße wer­den von Wurzeln gehal­ten, ein Wipfel ver­birgt das Gesicht. Nur ein Quäntchen Glanz noch zeich­net unsere Fig­ur. Mein Kopf ist so stolz auf seine Fähigkeit, sich zur Nei­gung zu zwin­gen, also liebt er mich pen­e­trant, obwohl ich ihm zu steif bin. Er ver­lei­ht mir damit, wie er sagt, ein Restchen Glam­our. Lieber hält er nun an den Stamm die Rechte, fühlt mit der Pfote unter der Rinde die bebende Brust, umfängt die Zweige wie sein eigenes Fleisch, küsst das Holz wie seinen ganz per­sön­lichen Ast. Über­raschung! Der weicht mit let­zter Kraft vor ihm zurück. „Du Arsch, ich bin Holz in deinen Armen, kapierst du denn nichts?“ Klatschen. Bra­vo. Wir fühlen uns ver­standen. Berühren lassen wollen wir uns von diesem nicht.

Oval­head fab­u­liert in seinem Monolog über Natur, doziert, spricht von Eiern, denen er sich nicht hingeben kann. Sind in der Masse nicht gesund. Aber sie rühren ihn. Kön­nte ich, Ob-es-ein­gelöst wird, die Pro­duk­te nicht im Kühlschrank auf­be­wahren, damit sie nicht faul wer­den, wenn sie der Volljährigkeit ent­ge­genge­hen? Offi­cer Oval­head fragt sich außer­dem, warum ich sie immer noch monatlich leg­en muss. Kann ich meine Zeit nicht bess­er struk­turi­eren? Warum fange ich die monatliche Blu­tung mit Tam­pons auf und lasse nicht ein­fach alles effizient beim Toi­let­ten­gang raus? Mein Kopf macht Anstal­ten, mich zu drück­en, schreckt dann aber zurück, weil man nie weiß, ob aus der gequetscht­en Schrecke das Blut rauss­chießt wie Ketchup aus der Weich­plas­tik­flasche. Und wenn ich, Ob-es-ein­gelöst-wird, wenn ich die Ein­lage wech­sle, die Hände nicht wasche? Wie von Oval­head bestellt, platziere ich mich, um ihn mit Süße zu beruhi­gen, als flau­miges Vanil­lege­bilde auf die Palette vor ihm. Und gle­ich auch schiebt er mir die Gabel in meinen Mund, saugt mich mit dem Geräusch des Laub­bläsers ein. Meine lab­bri­gen Lip­pen sind dabei, so weit es möglich ist, wie zum Kuss gespitzt.

Offi­cer Oval­head steuert mich mit Zuck­un­gen. Das funk­tion­iert ähn­lich wie die elek­tri­fizierten Arm­bän­der im Aus­liefer­ungszen­trum von Elei­son Unlim­it­ed, von denen die Mitar­bei­t­en­den durch die Lager­hallen dirigiert wer­den. Sich selb­st schirmt er durch seine Isolierung gegen Fremdzu­griff ab. Nur im gepanz­erten und leeren Raum ver­mag er zu vernehmen, welche Dat­en hin­ter seinem Pok­er­in­ter­face errech­net wer­den. Wenn eine Kugel wie er jeman­den tre­f­fen würde, wür­den die Sig­nale, die er inter­na­tion­al auf­fängt, wie Muni­tion an der Rippe ver­fälscht. Die Bühne ist und bleibt daher sein Leben.

Oh hap­py day, let me drink your ear­ly grey … In ein­er Aufwal­lung von Liebe töne ich. Offi­cer Oval­heads Hood­ie ist jet­zt dran. Pro­duziere einen Sud von Uhudler­trauben, Kurku­ma und Wal­nuss­blät­tern, koche den Stoff drin. Während das Mate­r­i­al auf der Antenne trock­net, samm­le ich Müll­säcke, schmelze sie in der Mörtelkelle und tauche die Vorderp­foten des Spielzeugko­joten, den ich unter Bau­pla­nen gefun­den habe, in die Masse, um die Geschichte mit einem neuen Muster zu ord­nen. Fer­tig. Oval­head krem­pelt die Ärmel auf und plädiert für Ewigkeit. Ich denke bei der Bewe­gung an das unaufhör­liche Tren­nen und Zusam­menset­zen von Molekülen, Gedanken, Beziehun­gen. Mein zunehmend kahler wer­den­der Kopf aber lehnt sich an das gelbe Ver­schalung­sholz hin­ter ihm, als wäre er flüs­siger Beton. Er würde Nach­wuchs selb­stre­dend an der Straße­necke aus­set­zen, weil er sich dem Geist ver­schrieben hat, der ewig und rein sein muss. Ob-es-ein­gelöst-wird, sagt er zu mir, und ich, begeis­terungs­fähig, wild, ver­liebe mich. Auf das Herz fol­gt logis­cher­weise der Hin­tern. Ich schlen­dere über die Brache, platziere mich deko­ra­tiv neben der Abgren­zung, lege, mich eksta­tisch windend, die momen­tan ver­füg­baren Eier. Dann schwinge ich meinen Po in der ges­pan­nten Hose zu Offi­cer Oval­head, spreize mich, und mein Kopf glotzt ganz offiziell ins Kristall­glas. Der Bauch ver­größert meine Klappe. Ja, mein Kopf ist ein­er der Typen, die denken, dass sie rück­wirk­end im pro­le­tarischen Milieu geboren wor­den sein wer­den, wenn sie mit ein­er Bier­flasche auf die Bühne gehen. Oval­head verdächtigt mich, dass ich zu den Kojoten über­laufen wollte, dass nur sein gefährlich­er Blick mich davon abhal­ten kon­nte. Offi­cer, sage ich, ich fol­gte dem Wort deines Geset­zes, das mir vom Jen­seits, vom Absoluten kün­det. Brüllt mein Kopf, dass er zu Köpfen sprach. Wie komme ich dazu, ihm zu lauschen? Das Ide­al sollte nach ihm kom­men. Um mich geht’s nicht. Wer sollte um seinen Nach­wuchs herum­schar­wen­zeln, wenn Ob-es-ein­gelöst-wird anfängt, sich für den Kopf zu hal­ten? Er, der zuständi­ge Offi­cer, wird jet­zt sicher­lich nicht anfan­gen, über ungekraulten Eiern zu brüten. Kojoten, Kojoten! Es gibt ein falsches Leben des Richti­gen.

Mein Kopf rech­net sich, bei­seite sprechend, aus, dass wir ihn auf der Brache Higg’s Drasil mit der Gefahr, die er beschwört, iden­ti­fizieren kön­nten. Ein Mütchen kühlen, ein Rütchen fühlen. Man bezahlt den Ein­tritt fürs The­ater, weil man hofft, dass man dafür Angst kriegt. Offi­cer Oval­head ist sich sich­er, dass er etwas Respekt, der unsere Angst beweisen würde, ver­di­ent. Er nen­nt mich eine Ter­ror­istin. Ich habe, wie er behauptet, wider meine Natur die Scheibe zugun­sten ein­er Kugel übertreten. Offi­cer Oval­head steckt sich nach dem Muster eines Typen, dessen Name von Gen­er­a­tion zu Gen­er­a­tion weit­ergegeben wird, eine Fluppe in meinen Mund. Er ist ein Berlin­er und traut sich alles zu. Mich dage­gen hat man schon mehrfach aus der Geschichte getil­gt, und alle Jahre werde ich unter dem Mot­to „Wie war noch ein­mal ihr Name?“ wieder­ent­deckt. Oval­head tren­nt das Glas vom Dreck der Welt, und sein Mund leert es bis zur Neige.

Es däm­mert. Erst ein­mal ver­dauen, dass die Welt nicht schwarz-weiß ist und sich das Schein­wer­fer­licht in jen­em der Sonne auflöst. Die Leute tröpfeln auf der Brache ein. Hüb­sche Frau, kannst du mir NFTs erk­lären? Ich kann! Sie müssen ein Mann sein, richtig? Dann sagen Sie: Hmmm, ich bin nicht damit zufrieden, den ein­fach­sten Lebensweg der Men­schheits­geschichte zu haben. Ich glaube, ich würde auch gerne etwas besitzen, das es nicht gibt. Dann nehmen Sie von ein­er anderen Per­son, die vielle­icht nicht unbe­d­ingt Mann sein muss, aber wahrschein­lich Tausende von Dol­lars wert ist, und die sagt, du besitzt dieses Ding, und die andere sagt: Bist du sich­er, und sie sagt: Ja, ja, hier ist ein klein­er Zettel, auf dem ste­ht, dass es dir gehört. Copy­right: @couplagoofs, Playlist: Mor­gan explains things (Tik­Tok). Über­tra­gung ins Deutsche von mir. Derzeit keine Kojoten in Sicht.

Unsere Brache, die den Namen Hig­gs’ Drasil trägt, ruht auf dem Kör­p­er von Adorno (por­tugiesisch für Verzierung), den wir täglich adori­eren. Nach Oval­head existiert hier nur, wer das Orna­ment sein Gegenüber nen­nt. Auf Hig­gs’ Drasil, die mit dem ewigen Rohbau der Fab­rik ordentlich Druck auf den Schmuck ausübt, leben mithin neben meinem Kopf und mir ein echt­es Tier namens Ver­ringern sowie ein Adler, der agiert, als hätte er kein Gewicht. Ich kenne seinen Namen nicht. Ja, und dann ist da auch noch das Eich­hörnchen Rata­touille (franzö­sisch; von Rata, ein­fach­es Essen, und touiller, rühren). Es ist mein Liebling. Die kleine Rat­te über­bringt Nachricht­en zwis­chen Adler und Adorno. Dazwis­chen ver­bre­it­et sie unge­niert Gos­sip.

Endlich Auftritt des Homme plas­tique. Er wid­met sich zu mein­er Begeis­terung dem Upcy­cling des Logos, trägt einen Man­tel aus alten Plas­tik­sack­erln, wan­delt auf der sandgel­ben Brache, raschelt vor­bei an meinem aus­rang­ierten Wohn­wa­gen. Ich antworte ihm, fahre mit dem Fin­ger durch Raspeln von Rosskas­tanien, die auf dem Zeitungspa­pi­er, das die Armatur bedeckt, trock­nen, nehme den blech­er­nen Kinder­löf­fel mit dem gebo­ge­nen Stiel, winke dem Gefährten, der über den Schirm flat­tert. Der Löf­fel ruft: „Was du gib­st, ist dein, was du behältst, hast du ver­loren“. Da furzen mir sieben Harley David­sons durch die Szene. Der Löf­fel bewegt die Lip­pen, ohne dass ein Ton zu hören wäre. Scheiß Stumm­schal­tung! Na bitte, pfeif drauf! In der Hand funkt das Met­all, die Hitze macht den Staub­plan­eten zur blenden­den Seifen­blase. Ihr Mors­en jauchzt wider jene, die vom Über­winden kün­den und das Tra­gen von Voll­bärten geset­zlich vorschreiben. Ein Zeichen! ein Zeichen? Ich schöpfe Kas­tanien-Raspeln in den Topf mit kochen­dem Wass­er. Die Stoffe eini­gen sich. Nur wenig später ist das Waschmit­tel fer­tig.

Oval­head phan­tasiert wieder von seinem großen Werk, das er meinem Mund abpressen muss. Sie ist so weit, sagt er, sie ist so weit. Er wird jet­zt wirk­lich die Klappe aufreißen. Ja, er hat den Auswuchs schon vor Augen. Die Trage­tasche auf der Schwelle zu sein­er Vorstel­lung ist ihm bekan­nt. Er lag einst selb­st darin, und der Pfloc­ki im Inneren gle­icht ihm wie seine Kopie. Men­sch, dieser Umstand wirft Oval­head jet­zt irgend­wie nach hin­ten, in seine vor ihm plär­rende Kind­heit, und gle­ichzeit­ig nach vorn, in die Zukun­ft des Nach­wuch­ses, der ihn ver­tritt. Offi­cer Oval­head! Er ist zeit­los, das erken­nt er jet­zt. Und der kleine Holzkopf wird auch endlich das Ter­rar­i­um umstürzen. Irgend­was allerd­ings fehlt. Ah, klar, Ob-es-ein­gelöst-wird ist nicht da! Ich hab mich aus der Fam­i­lien­fo­tografie ent­fer­nt. Ich, Mut­ter des Gedankens, muss aber doch die Eier able­gen. Lege sie ab! Nun, ich tat. Keine Ahnung, was mein Kopf mit sein­er Kopie anfan­gen wird, nach­dem er mit ihr alleine blieb. Er kann nicht wie ich mit dem Bauch denken, wie er zugeben muss. Und ver­hungern lassen kann er den Pfloc­ki auch nicht. Es kön­nte näm­lich dur­chaus sein, dass er, sobald seine Ver­gan­gen­heit und Zukun­ft – also der Pfloc­ki – aus seinem Blick­feld getil­gt sind, gar nie existiert haben wird. Wenn Offi­cer Oval­head also in diesem Moment das Köpfchen aufhebt, geschieht das gegen alle Ver­nun­ft, ander­er­seits aber eben auch nicht. Ob das gelebte Dialek­tik ist? Besorgt fragt sich der Geist, ob er seine Aus­ge­burt am besten als das Höhere, das Tief­ere, das Schwere oder das Ein­fache archivieren soll. Nun, Leute in Pelzen haben keine Ahnung von Kun­st. Ruf den Eklek­tik­er, höh­nt es aus den groben Klötzen.

Men­sch, heute tut mir Offi­cer Oval­head, der in Sojasauce geröstete Kerne aus dem Kür­bis vom Mit­tagessen kaut, so weh. Gegen alle Behaup­tun­gen in seinen Vor­wörtern schafft er es nicht, diese Tat­sache zu ignori­eren. Dabei span­nt er seinen Geist an wie irre. Huch, mein Kopf erschrickt. Das auf der Stechuhr am Ein­gang der Baustelle angezeigte Datum ist das von gestern, ist das von dem Tag, an dem der Pfloc­ki in sein Leben getreten ist. Oh, sein Pfloc­ki kam zu ihm, so rein, wie nicht von dieser Welt. Sofort fühlte mein Kür­bis die Ver­wandtschaft mit dem Kind, durch das die Sterne durch­schienen wie durchs Glas des Ter­rar­i­ums. Mein Kopf war so was von erpicht darauf, der Kopie den Rest zu geben, um ihm die Vol­len­dung zum Geist zu gewähren. Er näherte sich dem Pfloc­ki, um seinen Ast in dessen Leibchen zu bohren. Siehe, das Reine kann nur mit dem Reinen Umgang haben, und die Gele­gen­heit zum Pfählen des Geistes bietet sich sel­ten. Jet­zt aber brüllt Offi­cer Oval­head vor Schmerzen. Er hat diesen Pfloc­ki, der er einst gewe­sen ist, anscheinend gedankengeschwängert. Er war noch so jung, als ihm dieses Mal­heur passierte. Und jet­zt will er aus dem Sack, aber der Zaunpfahl ist zu groß. Oval­head heult. Ich glaub, ich ver­li­er den Ver­stand. Der Pfloc­ki find­et keinen Ausweg aus den kreisenden Gedanken. In welch­er ver­rosteten alten Fis­ch­dose, Leute, habt ihr Ock­hams Mess­er ver­steckt? Wer tren­nt mich in Ver­nun­ft und Instinkt? Hep­hais­tos, altes Prinzip, schlag mir, Ob-es-ein­gelöst-wird, mit dem Ham­mer den Kopf ein, damit ich endlich diesen Pfloc­ki loswerd!

Die Req­ui­site meines Porträts, das Oval­head heute abstaubt, stellt mich als kaputte, aber auch einiger­maßen kost­bare Puppe dar. Als rosa­far­be­nen Hohlraum aus der Epoche des Sur­re­al­is­mus. Mein Gesicht wirkt ein biss­chen abwe­send, das ja, weil ich für den Offi­cer ganz sim­pel ein Loch bin. Schließlich fresse ich in regelmäßi­gen Abstän­den meine Kopi­en. Ich lege meine Haut ab wie ein Ei, kaue an ihrem Gesicht, ihrem Mund, in lan­gen, mahlen­den Küssen. Mein Image fresse ich, und ich bin daher ein Nichts, denn ein Nichts schluckt alles, weil es auf alles außer sich selb­st neugierig ist. Oh, schwarzes Loch Ob-es-ein­gelöst-wird, bist ein alter Bokashi, dem man alle zwei bis drei Tage Flüs­sigkeit und cir­ca alle drei Wochen Fest­stoffe abzapft, um den Rasen zu dün­gen. Deine borkige Haut ist biol­o­gisch abstoßbar. Du nimmst sie als Nahrungsergänzung zu dir. Offi­cer Oval­head sitzt auf sein­er Kiste, seine Kopie auf dem Arm, während ich mich ver­größere, indem ich mich der Beloh­nung des näch­st­größeren Hap­pens ent­ge­gen­wölbe. Ich wer­den ihn als meinen Vor­läufer ver­schlin­gen. Soweit zur Unzwei­deutigkeit mein­er Iden­tität.

Es fol­gt: Monolog Offi­cer Oval­head. Im Naturhis­torischen Muse­um ist ein Mete­orit aus­gestellt, in welchen das Uni­ver­sum 1751 die Prophezeiung unser­er Stadt ver­pack­te. Natur ausstellen wie ein Rezept. Das All klatschte die Botschaft mit einem wüten­den Schlenker­er wie Asche auf unsere Häupter. Vor weni­gen Tagen aber erst wurde die Wid­mannstät­ten-Struk­tur des Steins mit methanol­haltiger Salpeter­säure sicht­bar gemacht. Klar, das damals damit voraus­ge­sagte Weich­bild zer­bombter Straßen­züge ist inzwis­chen zu einem Gegen­stand vergilbter Fotografien gewor­den. Da muss Oval­head noch ein paar dürre Peri­o­den aus­bre­it­en. Er doziert, dass er nun mal in regelmäßi­gen Abstän­den Blut ver­lieren muss. Er sagt, der Adel muss von Zeit zu Zeit ins Feld. Son­st flacht das Wach­s­tum ab. Blut und Boden gehören daher für Oval­head zusam­men wie Stamm und Baum. Es ist Tra­di­tion, die seinen Fortbe­stand sich­er. Und da kommt er auf die Katas­tro­phe zurück. Der Mete­oriten­fall von 1751 war eventuell der erste, den die Men­schheit live beobachtete, zumin­d­est ist er aber der erste, über den schriftliche Berichte existieren. Von jen­em Tag im 18. Jahrhun­dert an musste man also die Herkun­ft der Steine aus dem All, da sie Teil der Geschichte gewor­den waren, auf jeden Fall zur Ken­nt­nis nehmen. Oval­head stellt sich vor, dass ab 1751 zahlre­iche Men­schen die Kugel, um die herum wir uns heute noch scharen, als einen Mag­neten visu­al­isierten, der auch Kome­ten aus allen Rich­tun­gen des Uni­ver­sums an sich reißt. Andere imag­inierten sich eventuell als Stacheln, die je nach­dem, wie die von ihnen geschützte Kas­tanie gedreht wird, aus deren Hülle sticht. Es sind lei­der keine Stu­di­en über der­lei innere Bilder vorhan­den. Doch haben sie sicher­lich, so es sie gab und gibt, großen Ein­fluss auf das men­schliche Ver­hal­ten. Die Feuer­bälle der Mete­o­re, die unsere Büh­nen­tech­niker insze­nieren, hal­ten vor­läu­fig immer­hin die Kojoten fern.

Eigentlich waren wir vor Kurzem noch Feuer und Flamme, zu den Tieren durchzu­drin­gen, um ihnen das Licht näher zu brin­gen. Nun sehen wir, dass sie Leuch­tau­gen haben, die ihrer­seits über unsere Kör­p­er streifen. Sie sind über elek­trische Leitun­gen mit den Pfoten ver­bun­den, die an die Scheibe klopfen, sobald wir uns rühren. Es scheint, die Kojoten da draußen hal­ten uns für Fig­uren aus einem Videospiel. Sie nehmen jeden­falls an, dass wir gefüh­l­los sind, weil wir Zweigen ähneln, oder hal­ten uns ein­fach für seicht. Sie nehmen die Sor­gen, die wir ihnen vor­tra­gen, nicht ernst. Das kön­nte gefährlich wer­den.