Die Dings, die Dings, die Contenance

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Dass Sie mich fra­gen. Das ist. Ich bin höchst zer­streut. Stimmt so nicht. Es heißt erfreut. Stimmt. Entschuldigen Sie. Die Wörter. Sie hören sie. Wollen nicht direkt aus dem Loch her­aus, aus meinem Mund­loch. Über Umwege kom­men sie. Nichts mehr direkt sagen, nichts mehr. Her­zlich willkom­men.
Und Sie wün­schen, dass ich berichte von dem Dings, diesem Dings, dem Vor­fall. Gutgut. Von Beginn an klare Ver­hält­nisse schaf­fen. Und dann wären da noch die streng geheimen Doku­mente, nicht wahr? Span­nend das alles, äußerst span­nend. Es kön­nte der Plot eines Films sein. Man hätte ihn sich anse­hen kön­nen. Nur bin ich nicht man. Nicht länger. Ich bin nicht mehr da. Bin nie­mand. Und Sie sind willkom­men. Aufs Her­zlich­ste.

Aber keine Zeit zu ver­lieren. Genug ver­loren. Hier ist mein Gehirn, die Ärzte nen­nen diesen Teil Sprachzen­trum. So ist das. Da kommt alles zusam­men. Ballt sich. Baller baller baller bamm bamm bamm. Getrof­fen hat man es, dieses Zen­trum. Und Sie wollen nun, dass ich berichte. Ihnen berichte und danach den Dings über­re­iche. Aber mit welchen Sätzen? Man hat sie mir beige­bracht. Zuerst genom­men und dann wieder beige­bracht. Davor habe ich sie gehabt. Im Inneren gehabt, die Wörter. Wiederfind­en musste ich sie, aus­graben. Dreck Dreck, jaja, Dreck drauf, viel Schmutz musste ich wegschieben, alles weg. Jeden Tag Übun­gen. Die Logopädin, sie heißt Frau Mli­nar, nette Frau. Sehr nett. Ich muss, wenn ich will. Wenn ich sprechen will, muss ich. Auf­sagen ABCDEFGHIJKLMN OPQRSTUVWXYZ, auf­sagen jeden Tag. Sagt sie, muss ich. Stimmt nicht. Andere Übun­gen. Unbe­d­ingt täglich zu wieder­holen. Die liebe Frau Mli­nar. Sie hat sehr viel Geduld mit mir. Sie ist sehr nett. Ich habe sie gefragt, ob sie mit mir schlafen will, aber sie möchte lieber nicht. Stimmt so nicht. Stimmt. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben und so weit­er. ABC und Wieder­hol­ung. ABC und wieder von vorne. Nein­nein, eigentlich völ­lig andere Übun­gen. Aber egal. A wie Ameri­ka, A wie Anfang. In der ersten Woche bin ich bis D wie Drohne gekom­men. Jaja. Weil das wichtig ist, sehr wichtig für mich. Dieses Wort. Ein D und ein R und dann etwas, das für sich alleine ste­hen kann. Fol­gen Sie mir? Also ein D, ein R plus ohne. Denn es ist nicht nur ein Wort, son­dern mein Zufall. Stimmt so nicht. Es heißt Schick­sal. Stimmt.

Sie müssen wis­sen: Ich habe es gel­ernt. Auswendig gel­ernt. Was ich Ihnen sagen will. Sie sind willkom­men. Her­zlich. Heute gle­ich anmerken. Auswendig gel­ernt. Extra für Sie. Denn son­st wäre es nicht gegan­gen. Die Dings, die Dings, die Wörter wären nicht gegan­gen. Sie kön­nen nicht gehen, ich weiß. Her­aus­ge­gan­gen über den Zun­gen­muskel, so meinte ich das. Spe­ichel, immer nur Spe­ichel, wie er rin­nt aus dem Winkel auf der Seite vom Mund­loch. Eklig. Schauen Sie nicht hin. Ich frage mich, ob Sie mich über­haupt hören. Sie nick­en. Das ist schön. Ich freue mich großar­tig. Stimmt so nicht. Ich habe gesagt, Sie sollen wegschauen! Fün­fzehn Grad beträgt der Winkel der Lip­pen. Stets geöffnet. Denn dieses Loch, es ist eigentlich im Kopf. Der Ein­trittswinkel, er beträgt in etwa fün­fzehn Grad. Min­destens. Oder fün­fzig. Es macht keinen Unter­schied. Da ist nichts mehr, wo etwas sein müsste. So. Jet­zt habe ich mich. Habe mich hof­fentlich passend aus­ge­drückt. Damit Sie mich ver­ste­hen, ver­ste­hen Sie? Kein Sprachzen­trum, son­dern ein Sprach­vaku­um. Im Dings, im Dings, im Wörter­buch habe ich nachgeschla­gen unter V wie Vaku­um. Ich habe es auswendig gel­ernt, alles, was Sie hören sollen, damit Sie es aufnehmen kön­nen, auf ihrem Dings ein­spe­ich­ern. Im Wörter­buch nachgeschaut. Ein Buch­stabe nach dem anderen. Alles abge­blät­tert, jaja. Entschuldigen Sie, dass ich nicht frei reden kann. Aber es muss gesagt wer­den. Deshalb ler­nen, ler­nen und so weit­er. Ich spreche nun das Auswendi­ge, denn inwendig ist nicht mehr viel vorhan­den. Auch der let­zte Rest soll nach draußen. Deshalb sind Sie hier, oder etwa nicht? Wegen mein­er Geschichte und dem Dings, den ich Ihnen geben soll. Unbe­d­ingt hergeben. Sehr her­zlich willkom­men.

Haben Sie eine Ahnung, wie der zuständi­ge Ober­arzt heißt? Sie haben keine Ahnung. Ich werde es Ihnen ver­rat­en: Herr Dr. Ohne, er heißt tat­säch­lich Dr. Ohne! Ist das nicht wahnsin­nig lustig? Hihi­hi­hi, kommt aus meinem Mund­loch her­aus. Hören Sie es? Zuerst bohrt eine Drohne etwas in mich hinein und dann der Herr Dr. Ohne etwas aus mir her­aus. Hihi­hi­hi. Ein extrem lustiger Zufall, nicht? Das Leben ist sehr lustig. Ich lache über­aus gerne und viel. Wenn ich mich daran erin­nere, wie es geht. Unten ohne, so stelle ich ihn mir vor, den Arzt, wenn er mit tiefer Stimme zu mir spricht. Damit seine Sätze nicht ganz so ernst wirken, wis­sen Sie? Bes­timmt hat er große Hoden. Solch eine tiefe Stimme. Extrem große Hoden muss er haben. Wie sie beim Gehen weit auss­chwin­gen. Hihi­hi­hi. Seine Hoden, zwei Abriss­bir­nen: baller baller baller bamm bamm bamm. Men­sch sein heißt lachen kön­nen. Das habe ich gele­sen. Deshalb ver­suche ich zu lachen. Obwohl es nicht mehr so gut geht. Sie hören es. Ist nicht so, wie es sein soll. Bin ein hal­ber Men­sch. Ein biss­chen plem­plem. Weil ich nur halb lachen kann, jaja. Das Lachzen­trum, bes­timmt wurde es getrof­fen. Vielle­icht liegt das Lachzen­trum im Zen­trum vom Sprachzen­trum. Wenn das eine futschika­to ist, dann ist das andere eben­so futschika­to. Der Kater Kato geht in Fuji futschika­to. Hihi­hi­hi. Sie lachen. Es ist ein Witz. Er ist sehr lustig. Ich habe ihn ein­studiert, extra für Sie, damit Sie lachen kön­nen. Sehr fein. Sie sind ein sehr fein­er Men­sch. Ich sehe das. Und Sie sind willkom­men. Unfass­bar her­zlich.

Über meine Frau muss erzählt wer­den. Einzi­gar­tiges Wesen. Trifft auf jeden Men­schen zu. Stimmt so nicht. Und über meine Tochter muss erzählt wer­den. Liebes Kind. Ganz beson­ders toll. Trifft auf jedes Kind zu. Stimmt. Ich habe alles auswendig gel­ernt, aber ich bin aufgeregt. Deshalb sage ich es nicht kor­rekt. Beson­ders her­zlich. Nein danke. Und ich vergesse manch­es. Schon gut, schon gut. Es geschehen also Fehler beim Vor­sagen. Es ist keine Vorher­sage, son­dern eine Nach­her­sage. Es tut mir leid. Ich bin plem­plem. Also die Tochter. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben … völ­lig falsch, es ist nur ein Kind. Eine Tochter und eine Frau. So ist das. Die Ange­höri­gen kön­nen mitgenom­men wer­den. Nach vier Dien­st­jahren in Japan mussten wir weit­erziehen. Diplo­maten­fam­i­lie, Sie wis­sen Bescheid? Aber natür­lich. Sie sind ein fein­er Men­sch, Sie wis­sen so etwas. In der Fam­i­lie gibt es auch manch­mal baller baller baller bamm bamm bamm. Nur nicht so arg. Also mit Worten. Vielle­icht ist das schlim­mer. Nein, ist es nicht. Wir haben eine Dings, eine Dings gesucht, eine Pri­vatschule für die Kleine aus­ge­sucht. Ich nenne keine Namen. Alles bezahlt. Gutgut. Geld spielt keine Rolle. Ich brauche etwas, das nicht mit Geld bezahlt wer­den kann. Man kann es nicht kaufen. Es fängt mit F wie Fukushi­ma an und hört mit E wie elendi­ge Eckschweine auf. Es müsste Dreckschweine heißen. Ich weiß. Ich bin nicht plem­plem, falls Sie das denken soll­ten. Aber das denken Sie nicht, ger­ade Sie nicht. Sie sind ein fein­er Men­sch. Das spüre ich. Mit großem Herzen. Es ist sehr fein und sehr groß. Und äußerst her­zlich willkom­men.

Dass Sie mich über­haupt fra­gen. Ich bin sehr trau­rig. Stimmt so nicht. Es heißt glück­lich. Stimmt. Denn auf eine Frage kann eine Antwort gegeben wer­den. Die Antwort, sie ist in mir drin­nen, aber wie soll ich sie her­aus­lassen? Diese eine Dings, die Dings, diese Spezial­istin hat gemeint Wer­nicke-Aphasie, hat sie mir gesagt, das kön­nte ich haben. Im Schläfen­lap­pen drin­nen. Ein ander­er hat gemeint Bro­ca-Aphasie. Denn die Sätze sind eher zu kurz als zu lang. Sie hören mich. Dies­mal jeden­falls Stirn­lap­pen. Bei­des linke Gehirn­hälfte. So ist das. Aber Herr Dr. Ohne behauptet, nein­nein, keine der bei­den. Oder bei­de. Jeden­falls ein Spezial­fall. Man will kein Spezial­fall sein. Als Men­sch speziell, dochdoch, aber als Patient? Schädel-Hirn-Trau­ma, blöd gelaufen, Pech gehabt, so ein Pech aber auch. Plem­plem heißt das, nicht? Aber es ist bloß meine Sprache, die nicht sprechen will. Das Denken selb­st ist nicht betrof­fen, nein­nein. Ich kann denken. Das kann ich. Zum Glück, sagt Herr Dr. Ohne, habe ich keine glob­ale Aphasie. Da wäre dann nur noch dada im Schädel. Nicht die Kun­st­be­we­gung, son­dern das Wort, ver­ste­ht sich von selb­st. Dadada­da, sagen die glob­al Betrof­fe­nen. Dadada­da. Und Dings sagen sie, immer­fort Dings, Dings, Dings: Ich habe irgend­wo das Dings ver­loren, wo hast du denn das Dings im Dings hin­gelegt und so weit­er. Pein­lich. Weil denen die richti­gen Dings nicht mehr ein­fall­en.

Aphasie, haben Sie eine Ahnung, was das bedeutet? Über­set­zt heißt es Sprachge­wit­ter. Stimmt so nicht. Es heißt Sprachlosigkeit. Stimmt. Ich habe nachge­fragt, extra für Sie, zuerst nur für mich und dann nur für Sie. Herr Dr. Ohne sagt, ich soll mich nicht aufre­gen. Aber ich will mich regen, will erregt sein, mich zuerst aufricht­en und dann aufre­gen. Vorher durfte ich das nicht. Bei mein­er beru­flichen Tätigkeit. Immer ruhig bleiben, immer die Dings, die Dings, die Con­te­nance wahren. Ich mag das Wort. Es ist mir geblieben. Vom Leben davor. Ist mein Job gewe­sen. Ruhe auszus­trahlen. Heute hinge­gen möchte ich am lieb­sten aus der Haut fahren. Entschuldigen Sie meine Empörung. Ich soll mich nicht, Sie wis­sen schon. Aber ich muss. Ich kann nicht davon bericht­en, ohne sie zu ver­lieren, die Dings, na, diese Dings, die Con­te­nance, ver­flucht noch mal! Ich muss sie ver­lieren, weil ich mich ver­loren habe, und wenn nichts mehr da ist, ist alles bei Ihnen, auf­be­wahrt in ihrem Gerät, das mich aufn­immt. Da bin ich dann drin­nen. Es nimmt mich ganz und vol­lkom­men in sich auf. Und erst wenn es mich auss­chüt­tet, in die sozialen Net­zw­erke gießt, bin ich wieder vorhan­den. Her­zlichen Dada. Es heißt Dank. Ich weiß. Das war ein Witz. Hihi­hi­hi. Ich bin sehr lustig.

Also. Zuerst die grässliche Geschichte, dann der Daten­stick. Sie ste­hen auf grässliche Geschicht­en, schätze ich Sie richtig ein? Sie müssen nicht den Kopf schüt­teln. Ich erkenne die wahre Wahrheit, wenn ich sie erkenne. Nun, einkaufen sind wir gefahren. Die ganze Fam­i­lie. Dieser eine Markt etwas außer­halb von Islam­abad. Er ist klein, aber dafür umso schön­er. Bessere Waren auch. Und nicht über­laufen. Jaja, ein niedlich­es Dorf, Geheimtipp von ein­er Fre­undin. Darf ich Ihnen nicht nen­nen. Nur so viel, es liegt weit ab vom Schuss, obwohl es sich, wie sich später her­ausstellte, ganz genau exakt im Schuss befind­et. Gut im Schuss. Exak­ter Schuss von der Atom­ics MQ-9 Drohne, Reaper genan­nt, habe ich erfahren, nicht Rap­er, nein­nein, obwohl es genau­so gut passen würde. Ste­ht alles im Doku­ment. Sie wer­den es lesen. Alles am Stick gespe­ichert. Die Hell­fire-Rakete exakt abgeschossen, ihre Flug­bahn berech­net und doch unberechen­bares Höl­len­feuer, ver­ste­ht sich von selb­st. Ges­teuert von Übersee aus. Mil­itär­ba­sis in der Nähe von Las Vegas, mit­ten in der Wüste von Neva­da. Sie wis­sen das. Creech Air Force Base, so heißt sie. Und Ram­stein agiert als Relais­sta­tion, liegt in unserem schö­nen Nach­bar­land. Ich lang­weile Sie.

Entschuldigung. Ich halte Sie nicht für plem­plem, falls Sie das denken soll­ten. Jeden­falls. Drüben sitzt jemand am Steuerknüp­pel. Kein Krüp­pel wie ich. Ein Sol­dat. Ein echter Men­sch. Sitzt in einem unschein­baren Con­tain­er. Tut nur seine Pflicht. Und abge­seg­net vom Präsi­den­ten. Alles abge­seg­net von oben herab. Alles total echt. Ste­ht im Doku­ment, falls Sie mir nicht glauben. Sie wer­den es lesen. Der Befehl zu schießen: baller baller baller bamm bamm bamm. So hat es gemacht. Ganz, ganz laut in den Ohren. Drom­me­ten­rot in den Augen. Hand in Hand sind wir spaziert. Ich sollte Namen nen­nen. Ich darf das. Ver­e­na links von mir, so heißt meine Frau, und Marie, meine Tochter, rechts von mir. Vielle­icht war es umgekehrt. Nein­nein, war es nicht. Wie beschrieben ist es gewe­sen. Exakt genau so. Ver­e­na links, Marie rechts. Sicher­lich bes­timmt. Nehmen Sie das alles auf? Gutgut. Es ist wichtig, weil es wichtig ist. Bumm. So hat es dann gemacht. Baller baller baller bamm bamm bamm, sehr sehr laut. Funken­feuer, Rauch und dreck­iger Dreck. Sind durch die Luft geflo­gen. Ich soll es nicht erzählen, sagt der Arzt, denn es regt mich anscheinend auf. Aber ich muss. Weil der Staub und die Dings und das Geschrei. Das ver­gisst man nicht, auch wenn man danach ein ander­er ist. Und die süßen Waren über­all ver­streut. Kann man nicht mehr verkaufen, die Waren. Zer­fet­zt. Völ­lig hin. Und da sehe ich, nicht weit von mir ent­fer­nt, auch ein Men­sch zer­fet­zt, völ­lig hin. Wom­öglich das soge­nan­nte Zielob­jekt. Bes­timmt ein Dings, ein Dings, ein Ter­rorverdächtiger. Oder kein Verdächtiger, nein­nein, vielle­icht ein Ter­ror­ist. Fürs Mil­itär gibt es keinen Unter­schied. Anhand von Meta­dat­en wer­den Men­schen getötet. Die rech­nen sich das aus. Ste­ht alles im Doku­ment. Eine Eins bedeutet über­leben, eine Null bedeutet … nun, Sie kön­nen es sich vorstellen. Ein Men­sch kann auch ein Objekt sein, jaja, Ziel und Objekt in einem.

Muss weit­er gesagt wer­den. Men­schen haben geschrien. Andere haben geholfen. Auch Ers­thelfer wer­den bisweilen getötet, nein, ermordet, das ist das richtige Wort. Ein nach­fassender Angriff, so wird es genan­nt. Da bricht eine weit­ere Rakete durch die Wolk­endecke. Kein Erbar­men. Rauch, Rauch, Rauch über­all. Und dieser Ges­tank nach ver­bran­ntem Fleisch. Doch die Hände habe ich gespürt. Links die Hand von Ver­e­na und rechts die Hand von Marie. Oder war es umgekehrt? Nein­nein. So hören Sie doch zu! Ich habe Ihnen bere­its gesagt, wie es gewe­sen ist, Sie ver­dammtes … na, Sie wis­sen schon … nein­nein, bitte entschuldigen Sie. Seit Neuestem ver­liere ich manch­mal die … und das, obwohl ich … beson­ders extra leid. Es ist wegen der Aufre­gung. Ich muss Ihnen nichts erk­lären. Das Handy mein­er Frau war seit dem Vortag kaputt. Und meines vergesse ich oben­drein zu Hause! Ger­ade an diesem Tag. Ger­ade zu jen­er Stunde. Keine gute Idee. Zu spät sind wir draufgekom­men. Erst als Marie mit dem Dings spie­len wollte. Aber wird schon nichts passieren. Was soll denn großar­tig passieren? Weit­er­fahren, hat Ver­e­na gesagt. Ein­fach weit­er­fahren. Und dann auch noch ohne Chauf­feur unter­wegs zu sein. Stellen Sie es sich vor! Wie dumm von uns. Schlechter Zufall. Das hätte uns nicht zufall­en dür­fen. Kein GPS Sig­nal. Fürs Mil­itär waren wir nicht länger ort­bar. Auf ihren ver­pix­el­ten Bild­schir­men, wie unschein­bare Zivilis­ten haben wir aus­ge­se­hen, nein­nein, wir waren nicht unschein­bar, wert­los waren wir. Denn ich habe sie gespürt nach dem ganzen Bamm-baller-baller-bamm-baller-baller-bamm-Bamm, die Hände, ich habe sie gespürt. Links die große Erwach­se­nen­hand, rechts die kleine Kinder­hand. Die Leute ring­sum haben geschrien und gejam­mert. Außer die, die tot waren, ver­ste­ht sich von selb­st. Und ich ganz ruhig. Oder der, der ich ein­mal gewe­sen. Ver­e­na und Marie auch ruhig. Alle sehr sehr ruhig. Immer die Dings, Sie wis­sen schon, die Dings wahren. Haben die bei­den sich von mir abgeschaut. Das mit der Dings. Und ich weiß es schon. Obwohl ich plem­plem bin, völ­lig plem­plem. Ich kapiere schon, so ist das nicht. Dass die Hände so leicht sind. Genau genom­men ist es nur links leicht, rechts hinge­gen ziem­lich schw­er, obwohl es umgekehrt sein müsste. Das kann doch nicht sein, denke ich mir. Und denke es nicht. Aber ich lasse sie mir nicht nehmen, meine Fam­i­lie. Lasse ich nicht. Wür­den Sie lassen? Nein­nein, wür­den Sie nicht. Denn Sie sind ein fein­er Men­sch. Sehr her­zlich willkom­men und sehr fein.

Und nun, bitte … bitte machen Sie ein­fach, dass Sie es hochladen. Nehmen Sie den Stick. Bitte nehmen Sie ihn. Es sind die Dat­en eines Fre­un­des. Er ist vom Mil­itär. Mehr sage ich nicht. Keine Namen. Ich ver­spreche mich nicht. Das habe ich ihm ver­sprochen. Bald weiß ohne­hin jed­er, wer er ist, aber dann ist er nicht mehr hier, ist weit weg, längst über alle Dings. Und den Inhalt, ich habe ihn gese­hen. Das sage ich Ihnen. Viele Doku­mente, großar­tige Zahlen. Alles, was Sie wis­sen müssen. Alles gespe­ichert. Von etlichen Angrif­f­en, oben­drauf zu lesen in den Doku­menten. Hat er mir gesagt. Dass ich nur Kaud­er­welsch ver­ste­he. Sie hinge­gen. Sie wer­den es entschlüs­seln. Das kön­nen Sie. Deshalb sind Sie hier, weil Sie es kön­nen. Und doch stöh­nen Sie. Ich höre es. Sie inter­essieren sich nicht für mein Gelaber. Tun Sie nicht. Das sehe ich. Sie find­en, mein Blabla muss nicht sein. Meine Geschichte, die brauchen Sie gar nicht, habe ich recht? Sen­ti­men­tale Scheiße. Sollte ver­filmt wer­den, zu mehr taugt das nicht. Es geht Ihnen um die Doku­mente. Deshalb hören Sie mir zu. Nur deshalb. Und ich mache Ihnen keinen Vor­wurf. Weil alles hochge­laden wer­den muss. Auf diese Dings, diese Plat­tform. Auch wenn das Inter­net dem Mil­itär gehört. Das Schick­sal der Ironie, so sagt man doch, nicht wahr?

Und es stimmt schon. Ich bin nicht so wichtig. Ich bin ja genau genom­men nicht ein­mal mehr da. Wegen den anderen muss es sein. Wegen all jenen, die noch laut auf­schreien wer­den oder leise stöh­nen. Und damit sind nicht die Ter­ror­is­ten gemeint, nein­nein, ich spreche von den Dings, von all den Unschuldigen, von den Zivilis­ten, den Frauen und den Kindern, von den Kindern und den Kindern. Und dann spreche ich noch von den Kindern und den Kindern. Und von den Kindern. Deshalb müssen es die Men­schen wis­sen. Alle müssen alles wis­sen. Da frage ich mich schon, wie der Präsi­dent das so macht. Gibt er ein Zeichen mit dem Kopf? Ein leicht­es Nick­en? Genügt das? Der Befehl wird weit­ergeleit­et und die Piloten machen bamm baller baller bamm baller baller bamm bamm. Sie tun bekan­ntlich nur ihre Pflicht. Sind nicht ver­ant­wortlich. Es ist wie bei einem Videospiel. Von dort wer­den die jun­gen Piloten rekru­tiert. Kein Scherz. Obwohl ich sehr lustig bin. Hat man online genug Kills, dann melden sie sich bei dir. Bieten dir einen Job beim Mil­itär an. Mit viel Ehre fürs Vater­land und so weit­er. Nach getan­er Arbeit fahren die männlichen Män­ner nach Hause zu ihren Fam­i­lien. Untertags spie­len sie Krieg in einem Con­tain­er und am Abend gehen sie grillen. Nach­dem sie Men­schen gegrillt haben, da schmeckt das Steak beson­ders gut. Da fickt es sich am besten. Zuerst mit der Hell­fire-Rakete pen­etri­eren, dann mit der Penis­rakete. Außer man bekommt eine Orgas­musstörung. Stimmt so nicht. Es heißt Belas­tungsstörung. Stimmt. Soll bei den besten Sol­dat­en vorkom­men. Schle­icht sich von hin­ten an. Post­trau­ma­tisch. Und das bei all dieser Geil­heit! Unter uns gesagt: Es ist nicht so, dass ich nicht auch geil wäre. Manch­mal sehr beson­ders sog­ar. Aber die nette Frau Mli­nar, sie möchte lieber nicht. Vielle­icht wegen des Spe­ichels. Vielle­icht darf sie nicht. Es ist jam­mer­schade.

Der Präsi­dent jeden­falls, muss er seine Unter­schrift auf ein geheimes Doku­ment set­zen? Vielle­icht sagt er so etwas wie: In Ord­nung!, oder er sagt: Macht es!, oder: Es muss getan wer­den!, oder: Wer, wenn nicht wir?, oder: Ab mit dem Kopf! Natür­lich sagt er das alles auf Englisch, ver­ste­ht sich von selb­st. Er hat ja nur wollen, dass es gut aus­ge­ht. Dass nur die getötet wer­den, die unbe­d­ingt getötet wer­den müssen: die bösen Men­schen. Und ich sage Ihnen. Sie kön­nen die Dat­en sooft auswerten wie Sie wollen. Das kön­nen Sie. Das müssen Sie sog­ar. Aber die Zif­fern, sie haben nichts damit zu tun, nichts mit mir, nichts mit nie­man­dem. Und schon gar nichts mit dem Ster­ben. Wenn ein Leben aus­ge­drückt wird. So etwas kann nicht in Zahlen aus­ge­drückt wer­den. Eigentlich nicht, nein. Keine Zahlen vorhan­den für das Gekreis­che und das Geplärr und das Leid und die Wut und die Trauer und den Hass. Im Doku­ment nur zwei beschissene Einser zu viel. Ver­e­na, das muss ich Ihnen sagen, sie ist kein bös­er Men­sch, nicht böse gewe­sen. Auf mich manch­mal dur­chaus, ja, aber anson­sten lieb. Sehr lieb. Und Marie wäre keine Dings, keine Dings, na, keine Scheißter­ror­istin gewor­den! Sicher­lich nicht. Sie nick­en. Das ist nett. Aber man kann nie wis­sen, nicht wahr? Dass wir die ersten Europäer waren, die getrof­fen wur­den, unab­sichtlich getrof­fen. Man hat sich bei mir entschuldigt. Natür­lich im Geheimen. Nie­mand son­st weiß davon. Bis jet­zt. Großar­tige Entschuldigung. Wie kon­nte das nur und so weit­er. Frucht­bar­er Fehler. Stimmt so nicht. Furcht­bar­er Fehler. Stimmt. Und dann plöt­zlich die Frage, warum ich mich denn bitte nicht rasiert hat­te. Das wollte der Typ vom Mil­itär tat­säch­lich von mir wis­sen. Sicher­lich wäre so dem Piloten aufge­fall­en, dass ich kein­er von denen. Aber wo geho­belt wird, fall­en bekan­ntlich Dings. Und wie dumm von mir, dass ich das Handy! Ger­ade ich? Ger­ade an diesem Tag. Ger­ade zu jen­er Stunde. Bald stand das Wort Eigen­ver­schulden im Raum. Das hätte ich mir alles selb­st einge­brockt. Nun gehe es darum, still zu sein. Das ange­botene Geld anzunehmen. Mich leise aus dem öffentlichen Leben zurück­zuziehen. Die diplo­ma­tis­chen Beziehun­gen, die wirtschaftlichen Ver­flech­tun­gen, das alles könne man doch nicht aufs Spiel set­zen. Wozu vor zwölf Jahren meine müh­same Aus­bil­dung, wozu die Gefahren­zu­lage für Pak­istan, wenn ich nun nicht die Kraft hätte, die Dings, die Dings, die Con­te­nance zu wahren?

Entschuldigen Sie, aber da frage ich mich schon, was Sie eigentlich von mir wollen. Ach ja, den Stick. Her­zlich willkom­men. Und dass ich Ihnen berichte von dem Vor­fall. Kön­nen wir gle­ich begin­nen? Keine Zeit zu ver­lieren. Genug ver­loren. Denn offiziell, so wollen es die Befehlshaber doch haben, so hät­ten sie es gerne, dass offiziell über­haupt nichts vorge­fall­en ist. Aber ich bin nicht deren Dings, sicher­lich nicht. Nehmen Sie das alles auf? Gutgut. Dann werde ich nun schweigen. Stimmt so nicht. Es heißt sprechen. Stimmt.