Das Ein-Mann-Zelt

Von

Willkom­men in der Tierecke!
Das ist alles noch sehr neu hier für mich. Bis vor Kurzem habe ich mich in einem ganz anderen Bere­ich bewegt. Sie ken­nen mich sich­er. Daher gle­ich zu Beginn eine Bitte: Vergessen Sie mich! Vergessen Sie alles!

(Manch­mal, nachts, wenn ich in meinem Zelt liege, und nichts zu hören ist außer dem ent­fer­n­ten Rauschen der Auto­bahn, denke ich: Es ist vielle­icht nicht der Verkehr, der da rauscht. Es ist vielle­icht ein bish­er unbekan­nter Wind.)

Ich werde mich ab jet­zt diesen niedlichen Geschöpfen wid­men. Nichts mehr. Und nichts weniger. Ich werde sie Ihnen vorstellen, eins nach dem anderen, so ehrlich wie möglich. Ich möchte nicht an Ihr Herz appel­lieren, son­dern an Ihren Ver­stand. Über­legen Sie gut, bevor Sie sich etwas ins Haus holen, das dann bleibt. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe erst kürzlich mein Haus verkauft. Mit allem drum und dran. Ich bin noch immer nicht alles los, was ein­mal mit mir darin wohnte. Einiges davon zog unge­fragt mit mir in das Ein-Mann-Zelt, in dem ich jet­zt lebe. Ich kann nur hof­fen, dass der Win­ter kalt und das Leben im Zelt dann ungemütlich wird. Dann erst werde ich allein sein, allein aushar­ren, mich ein­richt­en in Gram und Verderb­nis, und endlich aufat­men. Zum Teufel mit der Gast­fre­und­schaft!
Aber das ist ein anderes The­ma. Und auf kalte Win­ter ist kein Ver­lass mehr. Das ist ein viel zu weites Feld. Ich gebe zu, ich habe den Bauer bestochen, damit ich mein Zelt darauf stellen kann. Der Bauer wird das Feld verkaufen, denn dessen Bewirtschaf­tung ren­tiert sich nicht mehr. Und Effi würde mit den Ohren schlack­ern, wenn sie wüsste, wie es zuge­ht, wie es zuge­hen kann, in anderen Ehen, in anderen Beziehun­gen, heutzu­tage, und wohin man schaut.

Willkom­men in der Tierecke!
Begin­nen wir mit diesem niedlichen Lämm­chen. Effi hätte ihre Freude damit. Das Lämm­chen ist aus­geris­sen. Ich sam­melte es auf dem Pan­nen­streifen der Auto­bahn ein. Ich war auf dem Weg zum U-Auss­chuss, Sie haben sich­er davon gehört, wegen dieser unan­genehmen Sache, alle wis­sen ja eigentlich davon, nur eben die Leute im Par­la­ment nicht, oder nicht so genau, und deshalb gibt es jet­zt einen U-Auss­chuss.
Das Lämm­chen stand auf dem Pan­nen­streifen und war im Begriff, die Fahrbahn zu betreten. Ich legte eine Voll­brem­sung ein. Kam ein Stück weit­er auf dem Pan­nen­streifen zum Ste­hen, riss die Autotür auf, sprint­ete zurück und schnappte das Tier.
Erst im Auto sahen wir uns an. Und wir erkan­nten uns.
Wir woll­ten bei­de nicht geschlachtet wer­den. Wir woll­ten auch nicht heirat­en. Und Fre­unde wer­den woll­ten wir auch nicht.
Wir woll­ten Geld. Und eine neue Unschuld.
Ich fuhr bei der näch­sten Gele­gen­heit von der Auto­bahn ab und hielt an ein­er Wiese. Es ist eine Wiese ja heutzu­tage längst keine Wiese mehr, son­dern meis­tens Pri­vat­grund. Es war also klar: Wir kon­nten hier nicht lange bleiben. Schon gar nicht grasen. Wir braucht­en einen Plan.
Was für ein Blödsinn, wer­den Sie jet­zt denken. Sie haben Recht. Und das ist der Punkt. Das Lämm­chen und ich, wir lacht­en. Weil es Blödsinn ist, und weil es keinen Plan geben kann. Und weil alle irgend­wann geschlachtet wer­den, oder ans Heirat­en
denken, oder Fre­und­schaft schließen, oder zu weinen begin­nen und zuse­hen, dass sie ver­schwinden.
Wir lacht­en so lange, bis wir Bauch­schmerzen beka­men. In all den Jahren im Par­la­ment habe ich niemals so viel gelacht. Beim Lachen bin ich nackt, und die Nack­theit hätte mich ver­rat­en. Nackt hat man im Par­la­ment nichts ver­loren. Und lachend kann man keine Ansprache hal­ten. Ich war immer ein ordentlich­er Par­la­men­tari­er. Und Schnaps trank ich nur im Urlaub, auf Mit­telmeerin­seln, im freien Fall. Effi hat mich immer wieder daran erin­nert, dass es nicht gut sei. Für den Kreis­lauf nicht, und auch nicht für den Geist. Effi sieht immer überall Geis­ter. Sie ver­fällt mitunter der Eso­terik. Ich nehme sie daher meis­tens nicht ernst. Das Lämm­chen und ich, wir lacht­en, bis uns die Luft aus­blieb. Erst dann besan­nen wir uns, stiegen wieder ins Auto und fuhren zu einem Out­doorgeschäft, um ein Zelt zu kaufen. Ich habe das Zelt ja bere­its erwäh­nt. Es ist ein Ein-Mann-Zelt. Es taugt
nicht zu ein­er Arche. Daher muss ich das Lämm­chen jet­zt wieder loswer­den. Genug gelacht. Es muss weit­erge­hen. Es warten noch andere Tiere darauf, an die Rei­he zu kom­men.
Also: Wer kümmert sich um das Lämm­chen, bevor es geschlachtet wird? Ich sage Ihnen, das wird teuer.

Moment, jet­zt ruft Effi an. Effi ruft immer öfter an, seit ich draußen bin. Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist. Sie glaubt anscheinend, mir gut zure­den zu müssen. Sie behauptet neuerd­ings sog­ar, meine Schwest­er zu sein. Aber was soll ich mit ihrem weibis­chen Zus­pruch. Ver­ste­hen Sie mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Frauen. Aber ich habe keine Schwest­er. Und ich finde Eff­is Gefasel von fehlen­der Brüderlichkeit und ungle­ichen Chan­cen nicht nur unange­bracht, son­dern präpo­tent
und lästig.
Ich will mich nicht mit Effi auseinan­der­set­zen. Sie gehört in ihr Jahrhun­dert und dort soll sie bleiben. Ich will keine Schwest­er. Wenn ich eine Frau will, bestell ich mir eine her.
So, das wär das.

(Es ist vielle­icht ein Wind und kein Verkehr, denke ich, nachts, in meinem kleinen Zelt liegend, ein ganz leis­er, fast unhör­bar­er Wind, schwach noch, und nicht imstande, an etwas zu rütteln. Ein Wind, der erst aufkommt, der lediglich Luft holt, bevor er zukünftig blasen wird, der aber näher kommt, und, vor­erst nur ganz san­ft, fast unmerk­lich, die ersten Grashalme bewegt.)

Machen wir weit­er mit dem Kätzchen. Das Kätzchen ist ein wirk­lich kom­pliziert­er Fall. Wenn Sie mich fra­gen, ist dieses Kätzchen ein­fach hys­ter­isch. Es sind Kätzchen ja bekan­nt dafür, ein wenig, nun, nen­nen wir es „eigen“ zu sein. Dieses Kätzchen ist nicht nur eigen, es nervt so richtig.
Ich fand das Kätzchen maun­zend vor der Eingangstür zum Gericht. Ich hat­te dort an diesem Tag einen Ter­min, wegen dem lei­di­gen U-Auss­chuss, bei dem kein­er sich mehr ausken­nt, jeden­falls nie­mand aus dem Par­la­ment. Daher lan­det nun alles
diesbezüglich ständig bei Gericht. Sie ken­nen sich ver­mut­lich aus, ich ers­pare mir also, dieses The­ma auszubre­it­en.
Jeden­falls saß vor dem Gerichts­ge­bäude das strup­pige Kätzchen und wollte hinein, um sich schei­den zu lassen. Außer­dem wollte es eine einst­weilige Verfügung gegen den zukünftigen Ex-Kater beantra­gen. Er habe nicht gebis­sen, aber er habe gefaucht, maun­zte das Kätzchen.
Soweit ich weiß, tun Kater das bisweilen, sagte ich.
Natürlich, sagte das Kätzchen, aber das heißt ja wohl nicht, dass ich das aushal­ten muss. Er hat mich ange­faucht. Und nicht ger­ade leise. Er hat mich ange­se­hen, als wolle er, als – ich traue es mich kaum zu sagen. Ich habe um mein Leben gebangt.
Und nur, weil kein­er dieses unmäßig laute Fauchen gehört und kein­er diesen Blick gese­hen hat, und weil alle davon aus­ge­hen, dass Katern das eben manch­mal so passiert, ste­he ich jet­zt hier wie der let­zte Depp.
Das Kätzchen maun­zte immer lauter und höher. Wirk­lich unan­genehme Laute gab es von sich.
Ich schnappte es mir und machte kehrt. Dieses Kätzchen musste hier weg, bevor es in sein­er Hys­terie das ganze Gericht aufwirbelte. Und Schei­dung, also bitte, das kann doch wohl heutzu­tage kein so großes Prob­lem mehr sein, dass man der­art maun­zen muss. Dass man mal den Falschen heiratet, weil das Heirat­en einem passiert wie ein let­ztes Stam­perl Schnaps, das man eigentlich ablehnen sollte, das weiß doch wirk­lich jed­er in diesem Jahrhun­dert. Das ist noch lange kein Grund, so ein The­ater zu ver­anstal­ten. Wo leben wir denn?
Ich brachte das Kätzchen zu meinem Zelt und sper­rte es in meinen Schlaf­sack. Es maun­zte stun­den­lang, bis es ein­schlief.
Sehen Sie, es schläft noch! Niedlich, nicht wahr?
Ich habe ihm das zerzauste Fell nun ein wenig gekämmt, damit es nicht allzu lieder­lich auss­chaut. Ich habe es im Schlaf auch ent­flo­ht und entwurmt. Kein Men­sch braucht Par­a­siten, wenn er schon ein anstren­gen­des Kätzchen aufn­immt. Wer also möchte das Kätzchen bei sich aufnehmen? Sie soll­ten jet­zt schnell sein, bevor es aufwacht und weit­er seine Leier von sub­til­er Gewalt, Unterdrückung und patri­ar­chaler Igno­ranz maun­zt. Wenn Sie es dann bei sich haben, kraulen Sie es. Kraulen Sie es bis zum Geht­nicht­mehr, dann wird es irgend­wann, wenn Sie Glück haben, zahm sein und schnur­ren. Sollte sich nie­mand melden, ertränke ich es im Tümpel.

A pro­pos Tümpel: Kom­men wir jet­zt zu einem etwas weniger niedlichen Zeitgenossen. Der Karpfen!
Der Karpfen regte sich nicht und star­rte mich an. Seine Augen dreht­en sich langsam mit, sobald ich mich zur Seite bewegte. Zwei winzige Überwachungskam­eras. Ich stand am Rande des Tümpels, weil ich nach­schauen wollte, ob der Stein, in den etwas bezüglich des lästi­gen U-Auss­chuss­es gemeißelt stand, auch tief genug versenkt wor­den war. Ich kon­nte den Stein nicht erblick­en, was bedeuten kon­nte, dass er wirk­lich und ein für alle Mal im Tümpel ver­schwun­den war, oder aber, dass jemand
ihn gefun­den und wieder mitgenom­men hat­te. Ich kam nicht dazu, länger über den Stein nachzu­denken, weil der Karpfen nicht aufhörte, mich anzus­tar­ren. Hast du nichts zu tun, fragte ich den Karpfen.
Er schüttelte langsam und schweigend den Kopf.
Sind da keine anderen Karpfen, mit denen du dich tum­meln kannst, fragte ich weit­er.
Der Karpfen schüttelte den Kopf.
Ich ging einen Schritt zur Seite. Seine Kam­er­aau­gen wan­derten mit, blieben auf mich gerichtet.
Also was willst du, fragte ich, zugegeben­er­maßen etwas nervös.
Der Karpfen schwieg.
Ich stieg ins Wass­er, er rührte sich nicht. Da pack­te ich ihn mit bei­den Armen und zog ihn her­aus. Ich wollte jet­zt wis­sen, ob er wirk­lich ein Fisch war oder eine gut verklei­dete Drohne.
Er war defin­i­tiv ein Fisch. Kein Reißver­schluss, keine Schrauben, kein Motor. Ich warf ihn zurück ins Wass­er, er schwamm nicht davon. Star­rte mich an. Ich ging. Ich ging zehn Schritte, dann blieb ich ste­hen. Den Karpfen­blick im Nack­en. Ich
kon­nte nicht weit­er.
Mit seinem sturen Blick hat dieser fette Karpfen mich gekriegt. Ich hievte ihn ein zweites Mal aus dem Wass­er und nahm ihn mit. Jet­zt liegt er hier neben meinem Zelt in einem alten Waschzu­ber. Der Waschzu­ber ist viel zu klein für das riesige Tier, es ist
nie ganz mit Wass­er bedeckt, sodass ich regelmäßig mit der Gießkanne drüber muss. Als hätte ich nichts Besseres zu tun!
Daher: Wer will diesen däm­lichen Karpfen? Er ist sehr anhänglich und treu, sehr still und eben ein biss­chen dumm, wie mir scheint. Aber er ist sich­er ein guter Fre­und, wenn man einen haben will. Zur Not kann man auch mit ihm kuscheln, wenn man auf Glitschiges ste­ht. Ich will Ihre per­versen Vor­lieben aber eigentlich nicht wis­sen, ich will nur diesen Fisch loswer­den. Und ich gebe zu: Er ist mir noch immer nicht ganz geheuer. Vielle­icht bin ich para­noid. Wäre kein Wun­der, nach all dem Hick­hack mit
dem U-Auss­chuss. Aber das soll jet­zt nicht Ihr Prob­lem sein! Nehmen Sie mir diesen Karpfen ab! Sie kön­nen ihn zur Not auch essen. Mir ist er zu fett.

Jet­zt ruft schon wieder Effi an. Kleinen Moment.
Nein Effi, ich will nicht wis­sen, was die Leute reden. Woll­test du es wis­sen? Du hast doch nur den Mumm nicht gehabt, ein Leben wie ich zu führen. Dein­er Epoche wirk­lich den Rücken zu kehren. Sieh mich an, ich bin kon­se­quent! Ich lebe jet­zt ein
Leben in der Zukun­ft, im Ein­klang mit der Natur, ohne Schnickschnack. Zum Teufel mit dem Par­la­ment. Das ist ein Haufen ahnungslos­er Idioten, die wis­sen nicht mal, wie man Feuer macht. Das freie Leben, das ich jet­zt führe, das hättest du auch haben kön­nen. Erzähl mir nichts von Chan­ce­nun­gle­ich­heit und Diskri­m­inierung. Du bist und du bleib­st ein naives, ver­wöh­ntes Gör. Nie und nim­mer schaffst du es ins Par­la­ment. Bewirb dich doch an der Kun­sthochschule, mal was, oder, meinetwe­gen, werde Polizistin oder Inge­nieurin oder von was du son­st glaub­st, es kön­nte dich gle­ich­stellen. Aber bleib mir fern. Das Leben in einem Ein-Mann-Zelt, das hältst du nicht aus. Nie und nim­mer bist du meine Schwest­er. Und ich will wirk­lich keine. Ich bin mir selb­st genug.

(Es ist kitschig, denke ich, nachts, allein, ich will sowas nicht denken jet­zt, denke ich, in meinem Ein-Mann-Zelt, das gehört nicht hier­her. Die Auto­bahn bleibt die Auto­bahn, der Verkehr bleibt Lärm, und nichts weit­er, denke ich, keine frem­den Winde, keine unbekan­nte Luft­be­we­gung, und wenn die Grashalme sich biegen, dann aus anderen Gründen. Schluss mit dem Gesäusel jet­zt, und schlafen.)

Kom­men wir zum Schluss noch zum Hündchen. Ich sage Ihnen gle­ich: Es ist behin­dert. Es fehlt ihm ein Bein. Und das war kein Unfall.
Das Hündchen gehörte ein­er aus­ländis­chen Präsi­dentschaft­skan­di­datin. Sie war jung, hübsch, intel­li­gent, zutief­st sozialdemokratisch und sehr beliebt. Den alten Präsi­dentschaft­skan­di­dat­en um sie herum gefiel das ver­mut­lich nicht beson­ders, aber was soll­ten sie machen. Kurz vor der Wahl ver­schwand das Hündchen der jun­gen Frau, an dem sie sehr hing. Das Hündchen kehrte einen Tag später in einem Schuhkar­ton und ohne das zweite Hin­ter­bein zu ihr zurück. Es trug außer­dem einen unfre­undlichen Brief an einem gold­e­nen Band um den Hals. Noch am sel­ben Tag ver­schwand die Präsi­dentschaft­skan­di­datin und tauchte nie wieder auf.
Das Hündchen ist ziem­lich sich­er trau­ma­tisiert vom Ver­lust seines Frauchens. Oder sagen wir: Es ist total gestört. Es kläfft nicht, niemals. Es ist das still­ste Hündchen, das mir je untergekom­men ist. Aber es weint, und zwar pausen­los. Das Fell ist ständig nass und verklebt von den Trä­nen, die stumm aus diesem winzi­gen Wesen her­auskullern und nicht zu stop­pen sind. Außer­dem schnappt das Hündchen öfter uner­wartet zu. Das heißt, es schnappt nicht nur, es beißt einem laut­los tief ins Fleisch. Sehen Sie nur, diese eitrige Fleis­chwunde an meinem Unter­arm! Was glauben Sie, woher die stammt?!
Sie wollen wis­sen, wie ich zu dem Hündchen gekom­men bin? Über­legen Sie es sich gut, ob Sie das wirk­lich wis­sen wollen.
Ja? Also gut: Es saß eines Mor­gens in ein­er Blut­lache vor meinem Zelt. Mit dem Blut hat­te jemand auf mein Zelt geschrieben: Wir wis­sen alles. Du bist dran.
Ich muss dazu sagen: Das Hündchen pinkelt und kackt Blut. Daher wohl die Lache. Und es pinkelt und kackt alles und vor allem sich selb­st an, weil es auf seinen drei Beinchen kein Gle­ichgewicht hat.
Schön war diese erste Begeg­nung nicht. Sehen Sie, das Zelt ist noch immer nicht ganz sauber, obwohl ich es chemisch reini­gen ließ.
Ich habe das Hündchen wegen der Blu­texkre­mente und wegen des Beißens und auch wegen dem ewigen Geheule immer in eini­gen Metern Ent­fer­nung von meinem Zelt angeleint. Ich ertrage es nicht in mein­er Nähe.
Also, wer ist bere­it, es bei sich aufzunehmen? Ich schaffe es nicht­mal, diese arme Krea­tur zu töten. Zumal es sich ja auch um ein poli­tis­ches Hündchen han­delt. Ich muss jet­zt sehr gut darauf Acht geben, wen ich töte und wen nicht. Ich bin lei­der doch noch lange nicht ganz raus. Die Tierecke ist ein schlecht­es Ver­steck, wie ich nun fest­gestellt habe. Und mein Ein-Mann-Zelt eine wack­lige Angele­gen­heit, sobald der Wind über das weite, brach­liegende Feld fegt. Man müsste wohl selb­st zum Tier wer­den, um seine Ruhe zu haben. Nur – so ein Hündchen hier, das will doch kein­er sein. Bitte, hole es jemand ab!

Jet­zt ist Effi doch tat­säch­lich gekom­men. Sitzt dort beim Lämm­chen und stre­ichelt es. Liest dabei ver­son­nen in einem Buch. Ich kann dieses elitäre Getue nicht lei­den. Ver­mut­lich ist es auch nur ein Buch über Weiber­schnickschnack. Fehlt nur noch, dass
sie hier bald ihre Schaukel auf­stellt. Nicht mit mir.
Wenn du das Lämm­chen stre­ichelst, musst du es auch mit­nehmen und dich darum kümmern, Effi.
Wie, du weißt nicht wohin? Geh doch studieren, das darf­st du doch längst. Da darf­st du das Lämm­chen sich­er mit in den Hör­saal nehmen. Die sind doch heutzu­tage offen für alles. Vere­in­barkeit von Fam­i­lie und allem anderen und so. Oder bist du jet­zt nur noch kar­ri­eregeil? So kommt es ja meis­tens, plöt­zlich sind die hil­flosen kleinen Geschöpfe den Damen dann wurscht, wenn es ums Auf­steigen und Geld­ver­di­enen geht.
Das war jet­zt wohl zu viel für Effilein. Weg ist sie, mit­samt dem Lämm­chen. Die wird sich noch wun­dern.
Aber gut, die Sache mit dem Lämm­chen wäre erledigt. Bleiben nur noch Kätzchen, Karpfen und Hündchen. Rufen Sie an! Aber beeilen Sie sich, denn der Bauer hat das weite Feld um mich nun verkauft, wie ich hörte, und bald rücken die Finanzhaie, Architek­ten und Bauar­beit­er an und zer­mal­men mit ihren spitzen Zäh­nen, größen­wahnsin­ni­gen Bau­plä­nen und geleas­t­en Bag­gern alles, was ihnen in die Quere kommt. Ich werde mein Zelt abbauen, es geht auf eine han­dliche Größe zusam­men, sodass ich ohne Prob­leme damit flüchten kann. Diese niedlichen Geschöpfe hier werde ich aber nicht zusät­zlich tra­gen kön­nen. Ich kann mich nicht um alles kümmern. Ich habe sie ja immer­hin schon ein­mal gerettet und unter widrig­sten Umstän­den hier­her gebracht. Ich werde sie schw­eren Herzens zurücklassen müssen. Und dann wer­den die Tierchen mit großer Sicher­heit ein unvorstell­bares Leid erfahren. Wollen Sie das wirk­lich? Sie kön­nen jet­zt noch han­deln, bevor es zu spät ist. Seien auch Sie sich ihrer Ver­ant­wor­tung bewusst!

(Schlafen, betäubt von Erschöp­fung, die unaufhalt­sam und schw­er in alle Glied­maßen dringt, einen niederzwingt, nach einem lan­gen, anstren­gen­den Tag im Freien. Oder was als solch­es beze­ich­net wird. Ödnis. Blödsinn. Hände runter und keine Bewe­gung. Da sind keine Grashalme. Kein Lärm vor dem Sturm. Da ist und bleibt nur ben­z­in­be­triebenes Rauschen.)

Hier sind wir für heute am Ende. Ich muss noch kurz Wer­bung machen für diesen veg­a­nen Wack­elpud­ding. Irgend­wie muss diese Sendung ja fürs Erste finanziert wer­den. Dieser Wack­elpud­ding schmeckt außergewöhn­lich, ist zuck­erre­duziert, ohne
Farb­stoffe und durch und durch veg­an! Er ist das Pro­dukt eines U-Auss­chuss­es. Kosten Sie selb­st, Sie wer­den erstaunt sein! Dieser Wack­elpud­ding wird Sie verän­dern. Schauen Sie mich an, ich bin auf dem besten Weg, ein anderes Wesen zu wer­den. Der Wack­elpud­ding begleit­et mich. Er ist nicht nur ess­bar, er ist viel­seit­ig einzuset­zen. Ich benutze ihn sog­ar zum Stopfen der Löch­er in meinem Zelt. Er ist wet­ter­fest. Er lässt abso­lut nichts durch.