Symphonie aus der neuen Welt

Von

Wahlkampf in den USA. Neue Welt oder alter weißer Mann? Wir, die aus der alten Welt, blick­en mit Span­nung auf Ameri­ka, ein­st­mals Ziel europäis­ch­er Sehn­süchte und Auf­brüche, weit ent­fer­nt und ver­heißungsvoll, das Land der Frei­heit und der unbe­gren­zten Möglichkeit­en. Was wird es nun machen aus alle­dem? Wohin gehen? Und wie ste­hen wir dazu? Wir, die aus der alten Welt. Sind wir die über­haupt noch? Die aus der alten Welt näm­lich. Längst doch, auch als ferne Beobachter, näher dran als eh und je – zumin­d­est sprach­lich betra­chtet.

Wir haben aufge­holt, zumin­d­est wenn man auf die Jugend hört. Und man muss nicht beson­ders gut hören, um zu hören, dass Ameri­ka bei und in uns ist. Die Jugend­sprache … Dig­ger, sowas von slay! Und es ist tat­säch­lich so - wer mit der Jugend von heute in Kon­takt sein möchte, braucht entwed­er sehr gute Englisch Ken­nt­nisse und oder eine Art Sprach Lexikon. Das sich dem inter­na­tionalen Zeit­geist entsprechend in rasen­dem Tem­po verän­dert. Sei’s Trump, let’s try.

Keines­falls geht es hier um eine Verurteilung jugendlich­er Sprachkreatio­nen, das sei gle­ich ein­mal voraus­geschickt, der Aus­tausch der Gen­er­a­tio­nen auf diesem Gebi­et äußerst frucht­bar und erquick­end. Sobald Inter­esse gezeigt wird von der Ü-50 (=alt) Spezies, kommt da einiges ins Rollen und zutage. Auch auf „gut deutsch“, for real

Wer glaubt, die Jun­gen sprächen ver­flachend oder gar undif­feren­ziert, der irrt. Und zwar boden­los, Alter. In diesem Fall ste­ht boden­los für „gemein“, nicht etwa für das Ver­lieren der Basis, denn die ist vor allem für Eines da – zum Chillen. Manche wer­den auch ange­hal­ten, ihre Eier­stöcke zu chillen, wie das nun gehen soll, ist uns noch hin­länglich unbekan­nt, aber lowkey Dig­ga, lassen wir uns nicht gaslight­en, bro, was geht, und vor allem - worum geht’s?

Während wir anno dazu­mal mit dem spär­lichen Reper­toire von lei­wand, geil und super auska­men, ist man da heute schon ein­fall­sre­ich­er. Tat­säch­lich, es wird unter­schieden, was das Zeug hält. Sie wis­sen den Unter­schied zwis­chen cringe und weird nicht? Tja, der ist aber groß. Eben­so liegen Wel­ten zwis­chen no front, full front und real rap. Zu jedem Aus­druck gibt es eine Erk­lärung, jed­er Hin­ter­grund eine eigene Geschichte.

Jede dieser Geschicht­en erzählt über die Lebenswel­ten ein­er jun­gen Gen­er­a­tion, die uns so weit ent­fer­nt und oft unver­ständlich scheint. Doch schnell ist es klar - die tick­en auch nicht anders als wir, diese Jun­gen. Nur haben sie ein­fach mehr drauf – für jede Sit­u­a­tion einen punk­t­ge­nauen Aus­druck, Cha­peau! Freud und Leid, Liebe und Kummer…wie eh und je in Sprache aus­ge­drückt. Ver­suchen wir es ein­fach. Es zu ver­ste­hen. Um sie zu ver­ste­hen. Sick.

Begin­nen wir mit den Per­sön­lichkeit­en. Während offen­bar manche als main charak­ter her­vorstechen, bleiben die „npc„s biss­chen lost im Hin­ter­grund. Wer smart ist, Achtung, der ist schlau und nicht fesch (das sagt sowieso nie­mand mehr). Und um ja kein simp zu sein, arbeit­en viele junge Män­ner (wie eh und je) daran, red flag  zu wer­den. Nur sel­ten gibt’s den Per­fek­ten (auch nichts Neues) – der ist wiederum green flag.

Der Mach­er. Er erscheint „ü 50ern“ als Klas­sik­er und ist ein Geschätzter. Er schickt großzügig die Hausübun­gen in die Late­in­gruppe und hat viele Mädls, ein guter Typ also, nix red flag. Wertschätzung liegt heutzu­tage über­haupt im Trend, man ver­mei­det es, über Opfer oder Hoes zu jud­gen, das wäre bekan­ntlich boden­los. No cap. (möcht­en Sie’s wis­sen? Kein Scheiss).

Früher woll­ten wir uns vielle­icht manch­mal zurück ziehen, um Ruhe (Muße – was ist das?) zu haben, heute braucht man ganz klar seine me-time, und das ist gut so, for real. Da schöpft man Energie für den näch­sten deep talk, der selb­st mit Eltern ab und zu stat­tfind­et. Eltern sind näm­lich heutzu­tage legit eher in Ord­nung und auf Augen­höhe. Allerd­ings lauert in jed­er Mut­ter die Gefahr ein­er Karen. Das, no front, kann einen manch­mal sowas von abfuck­en, aber dann gibt’s immer noch die Möglichkeit zu dip­pen. Full front, dig­ga.

Sie ver­ste­hen Bahn­hof? Macht nichts. Es ist wie Musik, lassen Sie sich auf den flow ein, inshal­la, es wird bess­er, es wird leichter, es spricht sich irgend­wann ran­dom­ly wie von selb­st. Man muss nicht alles ver­ste­hen, auch wenn’s sus ist, fühlst du’s nicht? Ich fühl es oft nicht, aber es ist so – längst geht’s nicht mehr darum, dass einem etwas gefällt oder man es schön find­et – man muss es fühlen.

Bei der Liebe zumin­d­est ist das seit jeher von­nöten. Daran hat sich nichts geän­dert, allerd­ings sind die Abstu­fun­gen heute sehr klar definiert. Ver­liebt ist man nicht so mir nicht dir nichts, und schon gar nicht gle­ich. Da hat man zunächst einen crush auf jeman­den, das bedeutet lediglich Inter­esse mit leicht erhöhtem Herz­schlag, verk­nallt ist man dabei noch keines­falls. Dann datet man eventuell, ob sich daraus fz ergibt, oder ein­er den anderen ghostet, mal sehen. Chill doch.

Kamp­saufen ist übri­gens out, und das ist beruhi­gend. Man hat seine erste Erfahrung mit über­mäßigem Alko­holkon­sum, und dann ist man abgeschärft. Also, bro, alles im Griff. Die näch­ste Par­ty kann steigen, peri­od. Und machen Sie sich keine Sor­gen, Eltern des Halb­wuch­es, das ist got­t­los unnötig. Außer­dem - entspan­nen Sie sich ein­fach mal bei einem Lun­gen­brötchen, alles gut! Und über­haupt: gönn dir.

Kreativ und dynamisch ist das alles, ich lasse nicht lock­er, lasse es mir uner­müdlich erk­lären, sauge auf, frage nach, will sie ken­nen, die immer und immer wieder neuen Trends, Wortbe­deu­tun­gen, Wortschöp­fun­gen, die Nuan­cen und feinen Unter­schiede, Sprach­bilder und -klänge. Bei Tha­la­hon gebe ich auf und set­ze zum Gegen­schlag an. Müsst ihr so urassen mit der Sprache? Jip­pieh, es funk­tion­iert. Sie ken­nen das Wort nicht. Sie, die Jun­gen. Und genau wie ich, die Alte, fra­gen sie nach, wir tauschen uns aus. Und, siehe da - neulich wurde von ein­er mein­er u20s doch glatt auf ein­mal ein Nesse­caire (und kein beau­ty case) eingepackt, Ich traute meinen Ohren nicht. Was jet­zt – alte oder neue Welt?

 

Über­set­zun­gen (aus per­sön­lichen Quellen 15, 18, 20 Jahre):

slay – wie cool. Auch: du slayst

boden­los – gemein, ungut

lowkey – eigentlich

Dig­ga – Oida

gaslight­en – irreführen

Ü-50 – über 50 Jährige

weird – selt­sam, strange, abstoßend, unan­genehm

cringe – ver­rückt, komisch, pein­lich, zum fremd­schä­men (die eigene Mut­ter z.b.), laut cringe kann auch eine Tat­sache sein, z.b. unangemessen­er Preis

bro – bro, was geht (wie Alter, Brud­er)

no front – nimms mir nicht übel

full front – touché

real rap – ähn­lich wie boah, ver­stärk­end, (Tat­sache, aber sowas von!)

sick – krass

main charak­ter – selb­sterk­lärend

npc – non playable charak­ter

simp – offen­sichtlich ver­liebt, männlich, tut alles für die Part­ner­in, bis­si Luschi, kann auch ner­ven, Gren­z­fall

smart – schlau

red flag – Per­son, die eigentlich orsch ist – der ist eine red flag oder auch nur adver­biell als Kom­men­tar: red flag

green flag – der Per­fek­te

Mach­er – der hat so viele Mädls, ein­er der in der Late­in­gruppe alles schickt

Opfer – charak­ter­los, lost, ähn­lich wie npc, aber all­ge­meinere Kat­e­gorie

Hoe – Nutte

jud­gen – urteilen (die schauen uns judgy an)

no cap – kein Scheiss!

cap – bull­shit (cap Alter! ich weiß dass es falsch ist)

big cap – Ver­stärkung von cap

for real – zus­tim­mend (aber wirk­lich)

legit – Zus­tim­mung (legit, das ist das Cool­ste, was ich je gese­hen hab)

deep talk – selb­sterk­lärend

Karen – eine ü50, die sich über alles aufregt, und für ihr Umfeld (Fam­i­lie, Super­markt, Arbeit­splatz) sehr müh­sam ist. Queru­lan­tin.

dip­pen – sich ver­pis­sen (ich dippe)

Lun­gen­brötchen – Zigarette

einen crush haben – ein Auge auf jeman­den wer­fen

fz  – fix zam

inshal­la –  ich hoffe, ich bete (inshal­la, ich hoffe es bleibt was übrig)

ran­dom – uner­wartet, in der Kon­ver­sa­tion unpassend

sus – sus­pekt, komisch, NICHT wie cringe

peri­od – bas­ta

Tha­la­hon – stammt vom ara­bis­chen Begriff „Ta’al La’hon“, was „Komm mal her!“ bedeutet. Seinen Ursprung hat der Trend ver­mut­lich bei Has­san aus Hagen. Der kur­disch-syrische Rap­per ist Anfang 20, lebt seit zehn Jahren in Deutsch­land und arbeit­et neben­bei im Imbiss sein­er Fam­i­lie (Wikipedia)